Ölpellets in Tongrube verklappt: „BP ist die Quelle des Übels“

Weil sie gefährliche Abfälle aus einer Ölraffinerie im großen Stil in einer Tongrube verklappt haben sollen, sitzen zwei Männer im Landgericht Bochum auf der Anklagebank. Verwickelt in das dreckige Geschäft sind aber noch ganz andere Akteure. Im Interview mit muellrausch.de erzählt die Lokalpolitikerin Ulrike Trick aus der betroffenen Gemeinde Schermbeck, wie sie die Aufarbeitung dieses Falls erlebt und warum ihr grüner Ortsverband Anzeige erstattet hat – gegen Mitarbeiter des Mineralkonzerns British Petroleum (BP) und gegen vier Staatsanwälte aus Bochum.

Ulrike Trick ist Mitglied im Ortsverband der Grünen in Schermbeck und Sprecherin der BUND-Kreisgruppe Wesel.

 muellrausch.de: Frau Trick, was hat BP mit diesem Fall zu tun?

Ulrike Trick: Die BP ist die Quelle des Übels, denn hier entstehen bei der Rohölverarbeitung sogenannte Ölpellets als Abfall mit erheblichem Brennwert, aber auch mit einem erheblichen Gefahrenpotenzial.

Der Abfall brennt gut?

Trick: Die Ölpellets brennen so gut, dass sie nur zu einem bestimmten Prozentsatz bei der Verbrennung in einem Kraftwerk beigemischt werden können. Das Material ist auch selbstentzündlich, sodass bei der Lagerung besondere Vorsichtmaßnahmen erforderlich sind.

Was macht diesen Abfall noch gefährlich?

Trick: Der hohe Gehalt an krebserregenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen und an Schwermetallen wie Vanadium und Nickel.

Rund 30.000 Tonnen von diesen Pellets wurden laut Staatsanwaltschaft Bochum zwischen April 2010 und September 2013 in einer Tongrube der Firma Nottenkämper im Kreis Wesel illegal entsorgt. Wie soll es dazu gekommen sein?

Trick: Bis zum Jahr 2010 wurden die Pellets im Steinkohlekraftwerk Scholven unweit der Raffinerie in Gelsenkirchen entsorgt. Weil das dann wegen Grenzwertüberschreitungen für Vanadium und aufgrund mangelnder Abnahmekapazität nicht mehr in dem bisherigen Umfang möglich war, wurde bei der zur BP  gehörenden Firma Ruhr Oel eine Task Force gebildet, bestehend aus Mitarbeitern der verschiedensten Abteilungen. Ihr Ziel war die Erschließung neuer Entsorgungswege. Eine Möglichkeit sah man in der Vermarktung als Ersatzbrennstoff. Damit wurde der Abfall in ein Produkt umgewandelt. Der andere Weg führte über ein Recyclingzentrum, wo die Pellets mit Sand vermischt wurden, in die Verfüllung der Tongrube auf dem Gebiet der Orte Schermbeck und Hünxe.

Gegen die Mitglieder dieser Task Force hat Ihr Ortsverband jetzt Anzeige erstattet, richtig?

Trick: Ja, das stimmt. Wir haben gegen elf Mitarbeiter von BP wegen des Verdachts auf unerlaubten Umgang mit gefährlichen Abfällen Anzeige erstattet.

BP bestreitet, an der illegalen Entsorgung in der Grube mitgewirkt zu haben.

Trick: An der illegalen Verfüllung hat BP nicht mitgewirkt. Die Lastwagen mit den Pellets stammten nicht von BP. Am Steuer saß auch niemand von BP. Aber: Die Mitglieder der Task Force haben dafür gesorgt, dass die Ölpellets als ungefährlicher Abfall eingestuft wurden und damit machten sie die Entsorgung in der Tongrube überhaupt erst möglich. In die Verfüllung hätten die Pellets aber nie gedurft.

Nennt sich offiziell Verfüllung, hat aber den Charme einer Halde: Die längst ausgebeutete und mittlerweile wieder vollgestopfte Tongrube in Schermbeck/Hünxe. Hier wurden die Ölpellets verklappt.

Die Staatsanwaltschaft hat als Hauptbeschuldigte einen Müllmakler und den ehemaligen Prokuristen des Grubenbetreibers angeklagt. Sitzen in den beiden laufenden Strafverfahren am Landgericht Bochum die falschen Leute auf der Anklagebank?

Trick: Ob es die falschen Leute sind, kann ich nicht beurteilen. Fakt ist aber, dass die Personen, die dieses Täuschungsmanöver geplant und ausgeführt haben, nicht auf der Anklagebank sitzen.

Der angeklagte Müllmakler ist wegen Korruption bereits zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Er hat Mitarbeiter von BP bestochen, um sich die Aufträge für die Entsorgung der Pellets zu sichern. Was spricht dagegen, dass, wie von BP behauptet, der Mineralölkonzern selbst Opfer einer Täuschung geworden ist?

Trick: BP hat hochbrisanten Abfall mit Hilfe des Maklers preiswert entsorgt. Der Makler hat vor Gericht ausgesagt, dass er selbst nicht gewusst hat, was er an Abfällen von BP bekommen hat. Dass die Pellets selbstentzündlich sind, wusste er auch nicht. Ihm sind drei Lagerhallen in Flammen aufgegangen.

Die Bezirksregierung Münster hat auf unsere Nachfrage hin erklärt, dass der Abfall von BP als Industrieruß eingestuft wurde.

Trick: Das Zeug hat viele Namen. Petrolkoks. Rußpellets oder eben auch Ölpellets. Fraglich ist, unter welcher Bezeichnung es in die Tongrube gelangt ist. Wäre es dort unter den richtigen Namen hingekommen, hätten die Lieferungen zurückgewiesen werden müssen.

Vor ungefähr einem Jahr haben Sie auch schon den Grubenbetreiber, die Firma Nottenkämper, wegen der verklappten Raffinerieabfälle angezeigt. Was ist aus dieser Anzeige geworden?

Trick: Die Staatsanwaltschaft hat nach halbherzigen Ermittlungen keine Schuld bei der Firma Nottenkämper feststellen können, teilte aber mit, dass sie, sollten sich im weiteren Verfahren neue Aspekte ergeben, die Ermittlungen wieder aufnehmen würde.

Gegen vier Bochumer Staatsanwälte hat ihr Ortsverband bei der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm nun Anzeige gestellt. Warum?

Trick: Wir haben unter anderem wegen der mangelhaften Begründung für die Einstellung der Ermittlungen gegen Nottenkämper Strafanzeige gestellt.

Was ist aus Ihrer Sicht mangelhaft?

Trick: Die Ausführungen, die die Schuldlosigkeit der Firma Nottenkämper belegen sollen, sind nicht plausibel. Sie stellen zum Beispiel chemische Regeln auf den Kopf. So soll verbrauchte Aktivkohle, die dem Raffineriemüll ebenfalls beigemischt war, verhindert haben, dass die Ölpellets durch ihren intensiven Geruch bei Nottenkämper auffielen. Das bloße Vorhandensein von Aktivkohle, noch dazu verbrauchter Aktivkohle, beseitigt keine Gerüche. Die Begründung ergibt keinen Sinn. Wenn Sie in Ihrer Küche einen Dunstabzug mit Aktivkohlefilter haben, werden die Gerüche nur entfernt, wenn Sie das Gerät auch einschalten und die Luft durch den Filter geleitet wird.

Was werfen Sie den vier Staatsanwälten noch vor?

Trick: Keiner von ihnen hat von sich aus Ermittlungen in Richtung BP oder gegen die Firma Nottenkämper aufgenommen. Der Vorsitzende Richter in dem laufenden Strafverfahren gegen den Müllmakler hat mehrfach sein Befremden darüber ausgedrückt, dass nicht in alle Richtungen ermittelt wurde. Unser Vorwurf lautet auf Strafvereitelung im Amt.

Die Staatsanwaltschaft Bochum hat doch Ende Juni mitgeteilt, dass sie Ermittlungen gegen BP aufgenommen hat.

Trick: Die Staatsanwaltschaft hat ihre gesamten Ermittlungen auf die beiden Privatpersonen konzentriert, eine Strafanzeige eines Dritten im Januar 2018 gegen die BP ignoriert und jetzt, nachdem wir Strafanzeige gestellt haben und die Medien darüber berichten, bewegt sich was. Dass die Ermittlungen gegen die BP laut Staatsanwaltschaft einen Tag vor Eingang unserer Strafanzeige aufgenommen wurden, kann ja sicher nur Zufall sein.

Soll die Bezirksregierung Münster als zuständige Überwachungsbehörde bei BP ebenfalls weggeguckt haben  oder warum haben Sie auch gegen eine Mitarbeiterin dieser Behörde Anzeige erstattet?

Trick: Für die Ölpellets gibt es fünf verschiedene Sicherheitsdatenblätter, ausgestellt von der BP, die der Bezirksregierung nach und nach vorgelegt wurden. Zwei davon liegen uns vor. Demnach wurde ein- und dasselbe Material einmal als krebserregend und erbgutverändernd und einmal als unbedenklich eingestuft. Bei gewissenhafter Prüfung hätte dieser Gegensatz einer Behörde auffallen müssen.

Zwei Gutachten, die der Kreis Wesel jüngst veröffentlicht hat, besagen, dass die Ölpellets in der mittlerweile verfüllten Grube verbleiben können. Das Grundwasser sei nicht gefährdet. Was will Ihr Ortsverband nun mit den Anzeigen erreichen?

Trick: Die beiden Gutachten, die Sie ansprechen, wurden von der Firma Nottenkämper in Auftrag gegeben. Auf der Homepage von Nottenkämper wird das Unternehmen Asmus und Prabucki, von dem eines der Gutachten erstellt wurde, als Partner aufgeführt. Gerichte bevorzugen in der Regel unabhängige Gutachter und keine Partnerfirmen von Betroffenen.

In dem anderen Gutachten steht zudem zur Frage der Sohlendichtigkeit der Grube, dass die „allgemeinen Anforderungen an eine Barriere im Wesentlichen“ eingehalten werden. Das ist keine beruhigende Aussage. Die Verfüllung war nie als Deponie für gefährliche Abfälle geplant und wurde folglich auch nicht auf Tauglichkeit dafür geprüft. Mit unseren Anzeigen möchten wir erreichen, dass die Verursacher dieses Umweltskandals dazu verurteilt werden, das illegal eingelagerte Material wieder zu entfernen.

Vielen Dank für das Interview!


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