Interview mit LKA-Ermittler Harry Jäkel: „Wir erleben eine Fortsetzung der Abfallverschiebung“

Deutsche und polnische Behörden wollen im Kampf gegen die Müllmafia künftig besser zusammenarbeiten. 70 Fachleute aus beiden Ländern trafen sich deshalb vor vier Wochen zu einem Workshop. Mit Harry Jäkel (Foto: Polizei BB), dem Leiter des Kommissariats „Schwere Umweltkriminalität“ beim Landeskriminalamt Brandenburg, haben wir über die Ergebnisse des zweitägigen Treffens gesprochen. Ein Interview über grenzübergreifende Ermittlungen, die Effektivität von Abfalltransportkontrollen und Parallelen zur innerdeutschen Abfallverschiebung.

Herr Jäkel, wenn sich so viele Experten aus Kontroll- und Strafverfolgungsbehörden treffen, muss es um ein ernsthaftes Problem gehen. Wie groß ist das Ausmaß der deutsch-polnischen Abfallwirtschaftskriminalität?

Jäkel: Das ist schwer zu sagen. Der polnische Hauptinspektor hat uns mitgeteilt, dass sie seit mehreren Jahren in Polen zunehmend Brände auf Mülldeponien verzeichnen. Allein 2018 waren es 134 Deponiebrände. In diesem Jahr bis September noch einmal 80. Bei den Ermittlungen wurde festgestellt, dass Müll illegal nach Polen verbracht wird. Die polnische Seite hat konkrete Hinweise, dass die Brände vorsätzlich gelegt wurden, um sich der illegalen Abfälle zu entledigen. Das betrifft nicht nur Abfälle aus Deutschland, sondern auch aus Großbritannien. Das ist also kein deutsch-polnisches, sondern ein europäisches Phänomen.

Großbritannien hat auch im eigenen Land massive Probleme mit Müllkriminalität. Hat ein britischer Vertreter an dem Workshop in Potsdam teilgenommen?

Nein.

Warum nicht?

Eingeladen waren Fachbehörden aus Berlin, Brandenburg und den angrenzenden Bundesländern sowie aus Polen. Strafverfolgungsbehörden beider Länder waren ebenfalls dabei. Andere Bundesländer wollten auch gern teilnehmen. Wir hätten auch Vertreter aus Tschechien einbeziehen können, denn auch in diese Richtung wird verschoben. Doch die Teilnehmerzahl war begrenzt und der Organisationsaufwand war schon sehr hoch. So eine Veranstaltung gibt es in Europa nicht so oft.

Versuchen wir, das Ausmaß der Abfallverschiebung dennoch genauer einzukreisen: Inwiefern ist Brandenburg betroffen? Gibt es Zahlen zu laufenden Ermittlungsverfahren?

2018 hatten wir in Brandenburg insgesamt zehn Verfahren wegen illegaler Ein-, Aus- und Durchfuhr von Abfällen. Im Jahr davor waren es neun.

Und 2019?

Da gehen noch keine Zahlen an die Öffentlichkeit.

Sind neue Verfahren hinzugekommen?

Ja. Es ist aber schwierig, aus Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik ein Lagebild herauszuarbeiten.

Wieso?

Hinter einem Fall können hunderte illegale Abfalltransporte stehen. Da können über Monate oder sogar Jahre tausende Tonnen Müll nach Polen verschoben worden sein. In der Zählart der Polizeilichen Kriminalstatistik ist es dennoch nur ein Fall.

Haben Sie einen solchen Fall in den vergangenen drei Jahren ermittelt?

Nicht nur einen.

Wie kam es zu den Ermittlungen?

Es begann häufig mit einer Transportkontrolle. Abfalltransportkontrollen sind ja wirkungsvoll. Deswegen wurde bei dem Workshop auch beschlossen, künftig gemeinsame Kontrollen durchzuführen.

Großkontrollen mit verschiedenen Behörden aus mehreren Bundesländern und Staaten gibt es schon. Wie effektiv sind diese Kontrollen? Die sprechen sich doch schnell herum…

Diese Erfahrung haben wir auch  gemacht, wenn so eine Kontrolle läuft, dass die LKW-Fahrer über Funk darüber informiert werden. Dann weichen sie entweder auf andere Routen aus oder aber fahren auf einen Parkplatz und legen eine Pause ein. Nach einer halben Stunde bringt eine solche Kontrolle nicht mehr die Ergebnisse, die sie eigentlich liefern sollte.

Was wollen Sie anders machen?

Wir wollen die Kontrollen gleichzeitig an verschiedenen Orten in Deutschland und in Polen durchführen.