Fehlende strafprozessuale Maßnahmen
Nach Artikel 13 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass Instrumente eingesetzt werden, die auch bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität oder anderer schwerer Straftaten verwendet werden. Dazu können die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs, die verdeckte Überwachung einschließlich der elektronischen Überwachung, kontrollierte Lieferungen, die Überwachung von Kontobewegungen oder andere Finanzermittlungen gehören.
Bereits im Jahr 2013 hatte das LKA Brandenburg eine rechtspolitische Forderung zur Erweiterung des Straftatenkatalogs des Paragraphen (§) 100a Strafprozessordnung (StPO) – Telekommunikationsüberwachung – um den § 330 Strafgesetzbuch (StGB) – besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat – in die kriminalpolizeilichen Gremien eingebracht. Zur Begründung wurde angeführt, dass nach kriminalistischer Erfahrung davon auszugehen sei, dass illegale Abfallströme durch ein Geflecht von Unternehmernetzwerken (Abfallerzeuger, Makler, Spediteure, Abfallbehandler und -entsorger) geleitet und Verschleierungshandlungen hinsichtlich der Abfallart und -herkunft, beispielsweise in Form von Falschdeklarationen und Urkundenfälschungen, vorgenommen würden.
Die Telekommunikationsüberwachung eröffnet die Möglichkeit, Beweismittel sowohl über die internen Strukturen und Verflechtungen von Unternehmen als auch über die Abfall- und Finanzströme zu erlangen. Darüber hinaus ist die Aufklärungs- und Ermittlungsarbeit bei den überwiegend elektronisch begangenen Straftaten der Abfallhändler und -makler ohne diese Möglichkeit äußerst schwierig. Die Forderung konnte nicht umgesetzt werden und somit gelten Umweltstraftaten nicht als Katalogstraftaten des Paragraphen (§) 100a Strafprozessordnung (StPO). Dennoch sind die Argumente stichhaltig und die fehlenden Mittel erschweren die kriminalpolizeiliche Arbeit.
In Deutschland gibt es bei der Bearbeitung von Umweltstraftaten die Möglichkeit der kurz- und der langfristigen Observation gemäß § 163f StPO. Dieses Instrument wird in der Praxis regelmäßig zur Erlangung von Beweismitteln eingesetzt. Der Einsatz von GPS-Trackern nach § 100a StGB ist dagegen ebenso wenig wie die Erhebung von Verkehrsdaten nach § 100j StPO oder gar die Rasterfahndung nach § 98a StPO zur Aufklärung von Umweltstraftaten anwendbar.
Wie Organisierte Kriminalität bekämpfen
Umweltkriminalität manifestiert sich im gewerblichen Bereich als Wirtschafts- und Strukturkriminalität, insbesondere bei grenzüberschreitenden Delikten. Exemplarische Delikte sind die Abfallverschiebung, der Handel mit nicht zugelassenen Kältemitteln, Düngemitteln, Rodentiziden oder Pestiziden. Die Tatbegehung erfolgt unter Ausnutzung wirtschaftlicher Abläufe.
Bereits 2002 erhob der damalige Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Dr. Ulrich Kersten, die Forderung in Bezug zur Wirtschaftskriminalität: „Die Tathandlungen der Wirtschaftskriminalität implizieren strukturiertes Vorgehen und strukturiertes Zusammenwirken von Tatbeteiligten. In diesem Zusammenhang weist Wirtschaftskriminalität Schnittstellen zur organisierten Kriminalität auf. Diese Erkenntnis impliziert eine höhere Verantwortlichkeit für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität sollten verstärkt Instrumente eingesetzt werden, die bereits für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität entwickelt wurden. Bei den Polizeibehörden ist immer noch schwerpunktmäßig ein reaktives Vorgehen feststellbar. Dort, wo wir Wirtschaftskriminalität als Strukturkriminalität vergleichbar der organisierten Kriminalität vermuten, müssen wir verstärkt auf die Strategien zurückgreifen, die sich am Modus Operandi der Täter orientieren. Dazu gehört die verstärkte Nutzung der Telekommunikationsüberwachung sowie das Forcieren des Einsatzes von V-Personen und verdeckten Ermittlern. Weiterhin muss auch die Praxis des Strafverfahrens in Wirtschaftsprozessen und die Verantwortlichkeit juristischer Personen neu überdacht werden.“ Diese Forderungen des früheren BKA-Präsidenten weisen verblüffende Parallelen zu den Forderungen der EU-Richtlinie auf und sind bei der Bekämpfung von Umweltkriminalität vollinhaltlich zu übernehmen.
Schutz von Whistleblowern
Artikel 14 der neuen EU-Richtlinie betrifft den Schutz von Personen, die Umweltstraftaten anzeigen, die bei entsprechenden Ermittlungen unterstützen, Beweise vorlegen oder anderweitig mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten. Dies betrifft den Zeugenschutz im laufenden Strafverfahren und nach Abschluss oder außerhalb des Strafverfahrens aber auch die Kronzeugenregelung.
In Bezug auf Hinweisgeber (Stichwort: Whistleblowing) wird auf die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates verwiesen. In der nationalen Umsetzung handelt es sich um das Hinweisgeberschutzgesetz. In diesem Zusammenhang sollen Möglichkeiten zur anonymen Meldung von Umweltstraftaten umgesetzt werden, wie sie z.B. bei Korruptionsstraftaten bestehen.
Der Artikel 15 bezieht sich auf die Veröffentlichung von Informationen im öffentlichen Interesse und den Zugang der betroffenen Öffentlichkeit zu Gerichten, auf die hier nicht näher eingegangen wird.
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