Gastbeitrag: EU-Richtlinie stellt Zäsur für die Bekämpfung von Umweltverbrechen dar


Noch knapp ein Jahr hat Deutschland Zeit, die EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt in nationales Recht umzusetzen. Sie sieht vor, dass Behörden gestärkt und mit effektiven Ermittlungsinstrumenten ausgestattet werden. Eine Einordnung aus kriminalpolizeilicher Sicht.

Von Harry Jäkel, Hauptkommissar a.D.

Bereits im alten Rom wurde die Luftverschmutzung (Verunreinigung der Luft durch Rauch) rechtlich geahndet. Im Mittelalter wurden Brunnenvergiftungen mit drakonischen Strafen wie Verbrennen, Rädern oder Ertränken geahndet. Ein Bewusstsein für die möglichen langfristigen und lebenszerstörenden Auswirkungen von Umweltschäden auf den Menschen war jedoch noch nicht vorhanden. Die rücksichtslose Ausbeutung der Natur erfolgte beispielsweise durch Überfischung, Abholzung ganzer Landstriche und durch Ausrottung von Tierarten. Erst im 19. Jahrhundert, mit dem Beginn des industriellen Aufschwungs und der Etablierung von Kulturlandschaften, wurde die Fragilität der Ökologie deutlich. Dies führte zu der Erkenntnis, dass der Raubbau an der Natur mit seinen negativen Auswirkungen auf die Umwelt begrenzt werden muss.

Unser Gast-Autor Harry Jäkel
war bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2022 Umwelt- und Brandermittler bei der Polizei. Die letzten zwölf Jahre seines Berufslebens leitete er das Kommissariat „Schwere Umweltkriminalität“ beim Landeskriminalamt (LKA) Brandenburg. Heute ist er als Referent an der Hochschule der Polizei Brandenburg und an der BTU Cottbus tätig. (Foto: privat)

In der Bundesrepublik Deutschland dauerte es aufgrund der Weltkriege und einer wirtschaftsfreundlichen Gesetzgebung über 100 Jahre, bis 1980 das Umweltstrafrecht im 29. Abschnitt des Strafgesetzbuches aufgenommen wurde. Im Zuge der forcierten naturwissenschaftlich-technischen Forschung und Entwicklung wurden zunehmend umweltschädliche Stoffe und Handlungen identifiziert und deren Einsatz und Anwendung zum Wohle der menschlichen Umwelt gesetzlich geregelt. Dies hatte auch Auswirkungen auf das Strafrecht, das sowohl im Kern- als auch in den Nebenstrafrecht eine Zunahme von Umweltstraftatbeständen zu verzeichnen hat.

Föderale Struktur auch in diesem Kampf

Gleichzeitig wurde auch die Struktur der Strafverfolgungsbehörden angepasst. Die Bearbeitung umweltstrafrechtlicher Bagatelldelikte erfolgt durch die allgemeine Staatsanwaltschaft, die Bearbeitung schwerer Delikte durch Sonderdezernate/-dezernenten oder in den Wirtschaftsstaatsanwaltschaften der Länder. In den letzten Jahren wurden zudem in einigen Bundesländern Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet (z.B. NRW und Brandenburg), die sich auf die Verfolgung schwerer Umweltverbrechen konzentrieren.

Die kriminalpolizeiliche Bearbeitung von Umweltdelikten erfolgt in den meisten Fällen durch die örtlich zuständigen Kriminalkommissariate ohne besondere Qualifikation. In einigen Bundesländern, insbesondere in den Stadtstaaten, gibt es Fachkommissariate, die sich schwerpunktmäßig mit der kriminalpolizeilichen Bearbeitung von Umweltdelikten befassen, z.B. in Hamburg bei der Wasserschutzpolizei.

Obwohl es eine Vielzahl von Straftatbeständen in den Bereichen Boden-, Wasser-, Luftverunreinigung, illegale Abfallverbringung sowie Verstöße im Bereich der Atom- und Gentechnik gibt, existieren in Deutschland weder einheitliche kriminalpolizeiliche Strukturen noch besondere strafprozessuale Möglichkeiten zur Aufklärung und Bearbeitung dieses Kriminalitätsphänomens.

Es ist erstaunlich, dass die Bekämpfung der Umweltkriminalität in der bundesdeutschen Politik und Strafverfolgung nicht die gleiche Aufmerksamkeit genießt wie der gesamtgesellschaftliche Klima- und Umweltschutz. Insofern das Umweltstrafrecht als ultima ratio zum Schutz der Umwelt verstanden wird, ist seine Stellung und effektive Anwendung im öffentlich-rechtlichen System in Deutschland stark ausbaufähig.

EU: Schaden in Milliarden-Höhe

In diesem Zusammenhang spielt die Europäische Union eine zentrale Rolle. In den letzten Jahren sind kontinuierlich Regelungen zum Schutz der Umwelt in Kraft getreten. Die Europäische Union strebt dabei eine umfassende Stärkung des Umweltstrafrechts und seiner Durchsetzung in Europa an. Nach Angaben der EU ist die Umweltkriminalität weltweit die drittgrößte kriminelle Aktivität, die jährlich um fünf bis sieben Prozent zunimmt und Schäden in Höhe von 110 bis 281 Milliarden US-Dollar (96 – 246 Mrd. Euro) verursacht. Angesichts der zunehmenden Relevanz des Umwelt- und Klimaschutzes in Europa gewinnt auch die Bekämpfung der Umweltkriminalität an Bedeutung. Nachdem bereits im Jahr 2008 eine Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt in Kraft getreten war, stellte die EU-Kommission bei der Überprüfung fest, dass diese in der Form nicht geeignet war, die Einhaltung des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt hinreichend sicherzustellen.

Nach einer umfassenden Evaluierung in den EU-Ländern und einer Überarbeitung der Rechtsvorschriften ist am 20. Mai 2024 die vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat verabschiedete neue Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt in Kraft getreten. Diese Novellierung stellt eine weitreichende Ausstattung der strafrechtlichen Bekämpfung der Umweltkriminalität dar. Die Ausgestaltung der Richtlinie und Umsetzung ins nationale Recht ist Aufgabe der jeweiligen EU-Staaten. Dies erfordert einen hohen Anspruch an das nationale Umweltstrafrecht und dessen Vollzug.

Verschärftes Umweltstrafrecht

Neben der Definition wesentlicher Begriffe erfolgt in der EU-Richtlinie die Aufzählung von Umweltstraftatbeständen, die in der nationalen Umsetzung (soweit noch nicht vorhanden) teilweise angepasst und/oder um weitere Tatbestände ergänzt werden müssen.

Diese 20 Umweltstraftatbestände umfasst die Richtlinie.
  1. Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung bzw. Ökosystemschädigung (lit. a)
  2. Unbefugtes Inverkehrbringen umweltschädlicher Erzeugnisse (lit. b)
  3. Unbefugte und umweltschädigende Herstellung, Inverkehrbringen etc. von gefährlichen Stoffen (lit. c)
  4. Unbefugte und umweltschädigende Herstellung, Verwendung etc. von Quecksilber (lit. d)
  5. Unbefugte Durchführung umweltschädigender Projekte (lit. e)
  6. Umweltschädigende Sammlung, Beförderung und Behandlung von gefährlichen Abfällen, inkl. der betrieblichen Überwachung, der Nachsorge von Beseitigungsanlagen und der Handlungen von Händlern und Maklern (lit. f)
  7. Unerlaubte Verbringung von Abfällen (lit. g)
  8. Unbefugtes Recycling von Schiffen (lit. h)
  9. Umweltschädigende Einleitung von Schadstoffen, die von Schiffen ausgehen (lit. i)
  10. Betreiben oder Schließen von umweltgefährdenden Anlagen (lit. j)
  11. Umweltschädigender Bau, Betreiben und Abbauen von Offshore-Erdöl- und Erdgasanlagen (lit. k)
  12. Umweltschädigende Herstellung, Erzeugung, Verarbeitung etc. von radioaktivem Material (lit. l)
  13. Umweltschädigende Entnahme von Oberflächen- oder Grundwasser (lit. m)
  14. Tötung, Zerstörung, Entnahme, Besitz, Verkauf oder Anbieten zum Verkauf von geschützten oder gefährdeten wildlebenden Tier- und Pflanzenarten (lit. n)
  15. Handel und Einfuhr von Teilen oder Erzeugnissen von besonders und streng geschützten Tier- und Pflanzenarten (lit. o)
  16. Inverkehrbringen, Bereitstellen oder Ausführen von illegal geschlagenen Hölzern (lit. p)
  17. Erhebliche Schädigung des Lebensraumes einer besonders geschützten Tierart oder erhebliche Störung solcher Tierarten (lit. q)
  18. Unerlaubte und umweltschädigende Verbringung, Haltung, Zucht, Freisetzung etc. invasiver Tierarten (lit. r)
  19. Herstellung, Inverkehrbringen, Einfuhr, Ausfuhr, Verwendung oder Freisetzung ozonabbauender Stoffe bzw. Erzeugnisse, die solche Stoffe enthalten (lit. s)
  20. Herstellung, Inverkehrbringen, Einfuhr, Ausfuhr, Verwendung oder Freisetzung fluorierter Treibhausgase (lit. t)

Darüber hinaus definiert die Richtlinie die Kriterien einer qualifizierten Straftat, eine „nicht unerhebliche Menge“ von Abfall, stellt die Anstiftung, Beihilfe und den Versuch unter Strafe und führt eine Verschärfung der Sanktionen für natürliche und juristische Personen ein.

Nach dem Grundsatz der Richtlinie sind alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass Straftaten mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen geahndet werden können. Dieser Grundsatz ist mit hohen Anforderungen verbunden, sowohl an die Strafverfolgungsbehörden als auch an die Gerichte.

Neben den materiell-rechtlichen Änderungen enthält die Umwelt-Richtlinie die Vorgabe, dass für eine erfolgreiche Durchsetzung des Umweltstrafrechts die zuständigen Behörden gestärkt, besser qualifiziert, vernetzt und mit wirksamen Ermittlungsinstrumenten ausgestattet werden müssen. Der vorliegende Beitrag widmet sich dieser Thematik, insbesondere aus kriminalpolizeilicher Sicht.

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Autor: Harry Jäkel

Unser Gast-Autor Harry Jäkel ist Hauptkommissar a.D. Er hat u.a. zwölf Jahre lang das Kommissariat „Schwere Umweltkriminalität“ beim Landeskriminalamt (LKA) Brandenburg geleitet.