Wie stark ist das Bundesland Brandenburg durch seine vielen illegalen Deponien mit PFAS belastet? Erste Rechercheergebnisse lassen nichts Gutes erahnen.
Zehntausende Tonnen Müll, illegal vergraben am Rande von Zitz, einem Dorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark, verschmutzen die Umwelt. Schadstoffe gelangen ungehindert ins Grundwasser, wie Untersuchungen schon seit längerer Zeit belegen. Vor rund einem Jahr wurde die Analyse auf eine Gruppe von Industriechemikalien ausgeweitet, die Umweltschützern und Toxikologen in Europa und anderen Teilen der Welt zunehmend Sorgen bereitet. Es geht um sogenannte per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS (auch bekannt als PFT oder PFC). Das Ergebnis: Auch diese Substanzen können in Zitz nachgewiesen werden. Es ist ein nicht enden wollendes Desaster, das immer größer wird. Nur wenige Kilometer entfernt, in Altbensdorf, befindet sich schon die nächste illegale Müllvergrabung, die das Grundwasser mit PFAS belastet.
PFAS sind künstlich hergestellte Chemikalien. Wegen ihrer vielfältigen Eigenschaften kommen sie seit Jahrzehnten in verschiedenen Branchen zum Einsatz. PFAS weisen Schmutz, Fett und Wasser ab, sie sind hitzebeständig und resistent gegen Säuren. Von hochspezialisierten Anwendungen in der Medizin über die Teflon-Pfanne im Haushalt bis zum Ski-Wachs – die Chemikalien stecken heute in allerlei Produkten.
Mittlerweile stehen PFAS aber auch für eine Reihe von Umweltskandalen. Das Problem mit ihnen: Sie bauen sich nicht von allein ab. Sie reichern sich in der Umwelt an und können die Gesundheit von Menschen gefährden. Dem bisherigen Forschungsstand zufolge können PFAS verschiedene Krankheiten auslösen oder verstärken. Dazu zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nieren- und Hodenkrebs, eine Schädigung der Schilddrüsenfunktion und eine verminderte Immunantwort auf Impfungen.
Wie stark das Bundesland Brandenburg durch seine vielen illegalen Deponien mit PFAS verseucht ist, ist derzeit unklar. Nach ersten Recherchen von muellrausch.de sind mindestens sechs Orte betroffen.
Ralf Buschalsky, Leiter der zuständigen Abfall- und Bodenschutzbehörde beim Landkreis Potsdam-Mittelmark, führt die PFAS-Kontamination in Zitz und Altbensdorf auf die Art des Abfalls zurück, der dort verscharrt wurde. Es handele sich um Kunststoffabfall, vor allem Textilmüll und Verpackungsreste. „Diese Abfälle stammen aus dem Zeitraum 2000 bis 2006. Produkte aus dieser Zeit wurden regelmäßig und im großen Umfang mit PFAS behandelt“, erklärt Buschalsky auf Anfrage von muellrausch.de. Indirekt lenkt der Behördenleiter damit den Verdacht noch auf andere Orte, wo ganz ähnliche Abfälle ungefähr zur selben Zeit illegal entsorgt wurden.
Verdächtiger "Kompost"
Wie genau Umweltbehörden hinschauen müssen, zeigt ein dritter Fall in Potsdam-Mittelmark. Dessen Entdeckung liegt schon eine Weile zurück. Es begann mit zwei Komposthaufen, die Anfang 2013 am Rande eines Ackers darauf warteten, als Dünger ausgebracht zu werden. Es stellte sich heraus, dass der Kompost aus Klärschlamm bestand – und hochgradig mit PFAS belastet war. Die Konzentration war doppelt so hoch wie erlaubt. All das ist amtlichen Unterlagen zu entnehmen, die muellrausch.de vorliegen. Aus den Dokumenten geht auch hervor, dass das Material von einer Kompostierungsanlage in der Gemeinde Brück stammte. Nach einer Kontrolle der Anlage befürchtete man damals beim zuständigen Landesamt für Umwelt (LfU) Schlimmeres:
„Aufgrund der breiten Belastung in der Kompostanlage (…) ist davon auszugehen, dass bereits über einen längeren Zeitraum belasteter Klärschlammkompost zur Aufbringung auf landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden oder zur Verwendung im Landschaftsbau abgegeben wurde.“
Der Fall erinnert an zwei Umweltskandale in Mittelbaden (ZDF-Umweltcrime: „Der Fall Rastatt“) und im Sauerland (WDR: "Wie der Skandal langsam durchsickerte"). Dort gelangten PFAS über vermeintlichen Kompost auf landwirtschaftliche Flächen, von da ins Grund- und schließlich sogar ins Trinkwasser. Bei einigen Menschen in den betroffenen Regionen wurden noch Jahre später hohe Konzentrationen der Chemikalien im Blut nachgewiesen.
In Potsdam-Mittelmark wurden Menschen und Umwelt offenbar gerade noch vor einer solchen Katastrophe bewahrt. Jedenfalls hat sich die Befürchtung des LfU, dass noch mehr belasteter Kompost in Umlauf gebracht wurde, bis heute nicht bestätigt. Lediglich auf dem Gelände der inzwischen insolventen Kompostfirma lagert noch kontaminiertes Material.
Wo Klärschlamm verklappt wurde, besteht der Verdacht auf PFAS. Das sagte ein Experte für Altlasten im Gespräch mit muellrausch.de. Eine im vergangenen Jahr erschienene Studie des Umweltbundesamtes bekräftigt diese Einschätzung. Klärschlamm, insbesondere aus industriellen Quellen, zählt demnach zu den Abfällen, die am ehesten mit PFAS belastet sein können. Fakt ist: Auf den illegalen Müllkippen Brandenburgs rottet von dieser Sorte Müll jede Menge vor sich hin. Unter den betroffenen Standorten sind weitere frühere Kompostierungsanlagen.
Im Landkreis Elbe-Elster wurde Klärschlamm in einer Kiesgrube verscharrt. Dort hat sich der Verdacht auf PFAS im Grundwasser bestätigt, wie das zuständige Bergamt in Cottbus auf Anfrage berichtet.
Chemiekalien im Löschschaum
Wie unterschiedlich die Wege sind, auf denen PFAS in die Umwelt gelangen, zeigt sich in Altlandsberg, einer Kleinstadt kurz hinter der Ostgrenze Berlins: Auf einer Brache zwischen Feldern und vereinzelten Wohnhäusern stapeln sich alte Autoreifen. Ein Teil der Gummiringe weist Spuren eines Feuers auf, das hier einst wütete. Rund 15 Jahre ist das her. Die Folgen des Brandes wurden erst sehr viel später untersucht. Seit einem Gutachten von 2022 aber ist klar: Boden und Grundwasser sind auch hier mit PFAS verseucht. „Als Ursache sind die beim Feuerwehreinsatz verwendeten Löschmittel in Betracht zu ziehen“, schreiben die Autoren des Gutachtens. Und weiter:
„Eine Nutzung des Grundwassers (…) zur Gartenbewässerung oder als Trinkwasser ist zu untersagen.“
Ein Brandschaden wie in Altlandsberg ist im Müllparadies Brandenburg kein Einzelfall. muellrausch.de hat mehr als 20 illegale Halden dokumentiert, die gebrannt haben. Darunter ist mit Frauendorf in der Oberlausitz ein weiterer Ort, wo PFAS im Grundwasser entdeckt wurden.
Mit bis zu 3,2 Mikrogramm pro Liter verursachen die abgebrannten Reifenberge von Altlandsberg von allen uns bekannten Fällen unter den illegalen Deponien Brandenburgs die stärkste Belastung. Allerdings gibt es in Deutschland für PFAS bislang kaum verbindliche Grenzwerte, allenfalls Empfehlungen. Das macht eine Bewertung schwierig. Obergrenzen sind für die Ausbringung von Klärschlamm festgelegt. Für Trinkwasser gilt erst ab dem 12. Januar 2026 ein Wert, der nicht überschritten werden darf.
Bis auf Altlandsberg, wo sich offenbar private Brunnen im Einzugsgebiet befinden, wird das belastete Grundwasser nach Angaben der zuständigen Behörden nicht genutzt. Behördenleiter Ralf Buschalsky vom Landkreis Potsdam-Mittelmark sieht für die betroffenen Orte in seinem Zuständigkeitsgebiet daher „keine unmittelbare Gefahr“. Eine Belastung des „wichtigen Schutzgutes Grundwasser“ hält er dennoch für „nicht tolerabel“.
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