Dunkelfeld aufhellen
Neben den strafrechtlichen und strafprozessualen Vorgaben enthält die Richtlinie u.a. strukturelle Maßnahmen, die eine erfolgreiche Umsetzung des strafrechtlichen Umweltschutzes fördern. Dass dies in Deutschland erforderlich ist, wird durch mehrere Tatsachen belegt.
Die Ermittlung von Umweltstraftaten erfolgt vorrangig anlassbezogen. Dabei spielt die sogenannte Verwaltungsakzessorietät bei der Bearbeitung von Umweltkriminalität eine große Rolle. Es gilt der Grundsatz, dass sich die Verwirklichung eines Straftatbestandes nach den Vorschriften des Umweltverwaltungsrechtes richtet. In der Umweltverwaltung gilt aber auch das Kooperationsprinzip, d.h. bei Verstößen gegen umweltrechtliche Vorschriften wird zunächst versucht, den Verursacher zu einem normgerechten Verhalten zu bewegen und die Ursache der Rechtswidrigkeit zu beseitigen. Dabei steht der Verwaltung ein Ermessensspielraum zu. In vielen Fällen nutzen Kriminelle diesen Spielraum, um weiter ihre rechtswidrigen Handlungen fortzusetzen und ihren Wettbewerbsvorteil auszubauen, ohne dass die Strafverfolgungsbehörden eingreifen können. Zur Aufhellung der Latenz sollte im Rahmen der Lagebeurteilung frühzeitig und anlassunabhängig sowie in Zusammenarbeit mit den Umweltbehörden eine aktive Beobachtung der Phänomene (z.B. nach Änderungen in der Umweltgesetzgebung) erfolgen.
In der Aufarbeitung von Umweltskandalen, wie beispielsweise im Zusammenhang mit der Kiesgrubenaffäre im Land Brandenburg oder im Bereich der schweren Umweltwirtschaftskriminalität, wurden die Ermittlungsverfahren im Rahmen der Prozessökonomie auf den Kernbereich des Sachverhalts konzentriert. Dies bedeutet etwa, dass im Rahmen einer illegalen Abfallverbringung nur gegen denjenigen ermittelt wurde, der diese Abfälle z.B. illegal in einer Kiesgrube oder Deponie ablagert hat. Nur teilweise wurden Ermittlungsverfahren gegen Fahrer der Abfalltransporte eingeleitet, weniger gegen Abfallhändler, Makler sowie Subunternehmer und selten gegen die Abfallbehandler, die diese Abfälle zur illegalen Gewinnererzielung abgegeben haben. Obwohl notwendig, fehlten letztlich die personellen und materiellen Ressourcen, um diese Aufgabe angemessen zu bewältigen.
Das bedeutete auch, dass diese Fälle in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) mit nur einem Fall erfasst wurden, obwohl über einen längeren Zeitraum teilweise mehr als tausend illegale Transporte, Urkundenfälschungen, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und andere Delikte begangen wurden. Betrachtet man die PKS im Zusammenhang mit der Kiesgrubenaffäre in Brandenburg für den Zeitraum 2005 – 2010, bei der ein Großteil des Sanierungsschadens von ca. 500 Millionen Euro durch illegale Abfallablagerungen verursacht wurden, so fällt auf, dass diese nicht zu einem Anstieg der Fallzahlen in der Statistik geführt haben. Dies müsste in der Lagebeurteilung angemessen berücksichtigt werden.
Prof. Dr. Michael Heghman, Direktor des Instituts für Kriminalwissenschaften in Münster, setzte sich kritisch mit der EU-Richtlinie auseinander. Er stellte fest: „(…) so ist der angebliche Anstieg der Umweltkriminalität im Ganzen nichts als eine schlichte Behauptung ohne Beleg. Nur wenn man gestiegene Umweltbelastungen im Allgemeinen mit einem Anstieg illegaler Umweltbelastungen gleichsetzt, gewinnt dieser Befund an Plausibilität, aber eine solche Gleichsetzung kann selbstverständlich keine Basis für eine rationale Kriminalpolitik darstellen.“ Im Gegensatz zur EU-Kommission bezog er sich jedoch nur auf statistische Angaben, ohne offenbar die strafrechtliche Realität in der Verfahrensbearbeitung zu kennen. Dies betrifft nicht nur das weite Feld der Abfallkriminalität und des illegalen Artenhandels. Da sich seine Argumentationskette auf diese Grundaussage – keine Zunahme der Umweltkriminalität – bezieht, sind seine weiteren kritischen Anmerkungen zumindest interpretationsbedürftig.
Fest steht, dass gerade im Bereich der Umweltwirtschaftskriminalität ein hohes Dunkelfeld besteht. Die Aufklärung der jeweiligen Umweltskandale zeigen in einem kurzen Zeitfenster das Ausmaß des kriminellen Handelns und die ökonomischen und ökologischen Schäden auf, ohne die langfristigen Schäden zu berücksichtigen. Es müssen dringend Strukturen geschaffen werden, die in der Lage sind, das Dunkelfeld aufzuhellen, die Lage und Trends zu analysieren und wirksame Maßnahmen einzuleiten.
Die Politik muss sich damit befassen
Die Umwelt ist fragiler geworden und mit dem Klima- und Umweltschutz sollen die Länder eine lebenswerte Umwelt auch für künftige Generationen erhalten und gestalten. Die Verfolgung von Umweltstraftaten und besser noch deren Verhinderung, ist ein integraler Bestandteil dieser Politik. Zu diesem Zweck hat die EU einen umfassenden Ansatz gewählt. Dies betrifft sowohl das Strafrecht als auch das Strafprozessrecht. Dass dies nicht ohne eine strukturelle, personelle und materielle Stärkung der Strafverfolgungsbehörden geht, liegt auf der Hand. Letztlich gilt der Grundsatz, dass alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen sind, damit Umweltstraftaten mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen geahndet werden können.
Der Beitrag befasst sich nur mit einem Teilbereich der EU-Richtlinie, der für die kriminalpolizeiliche Bearbeitung von Umweltdelikten relevant sein kann, da die Behandlung der gesamten Richtlinie den Rahmen sprengen würde.
Die EU-Richtlinie muss bis zum 21. Mai 2026 in das nationale Recht umgesetzt werden. Wirtschaft und Anwaltschaft beschäftigen sich bereits im Rahmen von Umweltcompliance und Internal Investigation damit. Bisher ist nicht erkennbar, dass sich die deutsche Politik ernsthaft mit der Richtlinie befasst. Aufgrund ihrer Komplexität und ihrer Tragweite für Bund und Länder ist jedoch eine frühzeitige Befassung mit der EU-Richtlinie zum strafrechtlichen Umweltschutz und ihrer nationalen Umsetzung dringend erforderlich.
Quellen
- Bloy, Rene (1988): Die Straftaten gegen die Umwelt im System des Rechtsgüterschutzes, ZStW. S. 485-507
- https://www.consilium.europa.eu/de/infographics/eu-fight-environmental-crime-2022/ (zuletzt abgerufen am 24.02.2025)
- https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2024/03/26/environmental-crime-council-clears-new-eu-law-with-tougher-sanctions-and-extended-list-of-offences/ (zuletzt abgerufen am 12.11.2024)
- Sina, Stephan (2025): Die Umsetzung der „Ökozid“-Regelung der überarbeiteten Umweltstrafrechts-Richtlinie in deutsches Recht
https://www.ecologic.eu/20060 - https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Herbsttagungen/2002/herbsttagung2002kerstenKurzfassung.html?nn=54412 (zuletzt abgerufen am 17.12.2024)
- Busch, Markus (2021): Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt und zur Ersetzung der Richtlinie 2008/99/EG
https://wistra-online.com/81418.htm (zuletzt abgerufen am 12.09.2024) - https://www.land.nrw/pressemitteilung/vernetzungsstelle-gegen-umweltkriminalitaet-geht-den-start (zuletzt abgerufen am 07.01.2025)
- https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/umweltkriminalitaet-zentralstelle-ermittlungen-nrw-100.html (zuletzt abgerufen am 19.01.2025)
- Michael Heghmann (2024): Die neue EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt v. 11. April 2024, in Zeitschrift für internationale Strafrechtswissenschaften 4/2024, S. 256 -266