Lindower Heide: Strafprozess endet ohne Urteil – nach fast vier Jahren

Die illegale Entsorgung von mehr als 300.000 Tonnen Müll in der Kiesgrube Lindower Heide wird strafrechtlich nicht weiter verfolgt. Grubenchef Björn S., der Hauptbeschuldigte in der seit Dezember 2016 öffentlich geführten Verhandlung am Landgericht Potsdam, kommt ohne Verurteilung davon.

Richter Gerlach (r.): „Wir denken, dass die Schuld mit der Geldauflage angemessen kompensiert worden ist.“ Foto: muellrausch.de

Der 9. Juli 2020 war der 80. Verhandlungstag. Und es sollte auch der letzte sein. Wegen Corona und aufgrund eines erkrankten Richters war die Verhandlung ins Stocken geraten. Nun hat das Landgericht Potsdam das Strafverfahren um die Kiesgrube Lindower Heide eingestellt, wie der Vorsitzende Richter Axel Gerlach vor wenigen Tagen mitteilte.

Nach fast vier Jahren Verhandlungsdauer endet damit eines der längsten Umweltstrafverfahren im „Müllparadies Brandenburg“. Dutzende Zeugen wurden in der öffentlichen Hauptverhandlung gehört. Die Verteidigung war „konfrontativ“ (Richter Gerlach). Die Angeklagten schwiegen.

Angeklagt waren ursprünglich drei Männer. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen vor, rund 330.000 Tonnen Müll illegal in der Kiesgrube Lindower Heide im Landkreis Teltow-Fläming verklappt zu haben. Die Tatvorwürfe reichten bis ins Jahr 2005 zurück. Im September 2007 flog das dunkle Loch auf. 2010 erfolgte die Anklage. Sie lautete: unerlaubtes Betreiben einer Abfallentsorgungsanlage (§ 327 Abs. 2 Nr. 3 StGB) Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB) und besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat (§ 330). Die Höchststrafe, die drohte: zehn Jahre Freitheitsentzug.

Wie Müll aus Norddeutschland in der Kiesgrube „Lindower Heide“ verschwand

Bis zum Beginn der Gerichtsverhandlung am 7. Dezember 2016 vergingen noch einmal sieben Jahre. Zu diesem Zeitpunkt lebte einer der drei Beschuldigten – er hatte als Radladerfahrer in der Grube gearbeitet – nicht mehr. Das Verfahren gegen den zweiten Angeklagten – er war als Betriebsleiter in einer nahegelegenen Abfallsortieranlage tätig – wurde am 10. Mai 2019 gegen rund 2.000 Euro Geldauflage eingestellt. Übrig auf der Anlagebank blieb Björn S., Chef von Grube und Sortieranlage.

Im März 2020 blieb auch S. plötzlich der Verhandlung fern. Er hatte sich nach Holland abgesetzt. Auf Antrag des Gerichts lieferten ihn die niederländischen Behörden nach Deutschland aus, wo er fast neun Monate in Untersuchungshaft verbrachte.

Auf eine Entschädigung für die bereits abgesessene Zeit im Gefängnis verzichtet er. Das ist die eine Bedingung für die Einstellung des Verfahrens, wie Richter Gerlach weiter berichtet hat. Die andere: S. muss innerhalb von sechs Monaten eine Geldauflage in Höhe von 100.000 Euro erfüllen. 30.000 Euro seien bereits bezahlt. „Wir denken, dass die Schuld mit der Geldauflage angemessen kompensiert worden ist“, so Gerlach.

Soll Millionen mit dem Verklappen kassiert haben: der Hauptbeschuldigte Björn S.

Warum S. sich auf eine Einstellung unter diesen Bedingungen eingelassen hat, ist ungewiss. Seine Anwälte Felix Haug und Steffen Kühn haben auf Anfragen von muellrausch.de nicht reagiert. Auch der dritte Verteidiger, René Börner, äußert sich nicht. „Ich gebe dazu keine Erklärung ab“, hat der Fachanwalt für Strafrecht kurz und knapp in einer E-Mail geschrieben.

Bliebe nur, zu spekulieren: Sicher ist Björn S. froh, dass das langwierige Verfahren endlich eine Ende hat. Wie stark ihn die finanzielle Auflage belastet, ist fraglich. Die Staatsanwaltschaft schätzt, dass S. mit dem Verklappungsgeschäft rund 6,5 Millionen Euro eingenommen hat. Wenn das stimmt, dürfte die Belastung gering ausfallen. Allerdings fehlen konkrete Belege. Die Finanzermittler des Landeskriminalamtes Brandenburg konnten dem Strom des Geldes nicht folgen, wie sich im Gerichtsverfahren herausstellte.

Unklar blieb bis zuletzt auch das Ausmaß der Umweltverschmutzung. Zwar sagte ein Gutachter bereits im Juli 2017 aus, dass der illegale Müll das Grundwasser belastet. Doch waren wichtige Grundwassermessstellen zu dieser Zeit noch gar nicht errichtet. Dies wurde erst rund drei Jahre später nachgeholt. Unter Polizeischutz, wie das zuständige Landesbergamt im März 2020 vermeldete. Ergebnisse stehen nach wie vor aus.


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