Tatortreinigung in Delitzsch

Auf dem Gelände des ehemaligen Biomassekraftwerks im nordsächsischen Delitzsch soll ein Forschungszentrum für eine nachhaltige Chemie entstehen. Doch bevor die Zukunft beginnen kann, müssen erst noch ein paar Altlasten aus der schmutzigen Vergangenheit des Kraftwerks aus dem Weg geräumt werden.

Einen Förderbescheid über 17 Millionen Euro konnten Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow und Regionalentwicklungsminister Thomas Schmidt (beide CDU) am Donnerstag (29.8.) überbringen. Die Übergabe an Delitzschs Bürgermeister Manfred Wilde und den nordsächsischen Landrat Kai Emanuel (beide parteilos) fand bei einer öffentlichen Veranstaltung auf dem früheren Betriebsgelände des Kraftwerks statt. Mit dem Geld, das aus Strukturfördermitteln vom Bund und Freistaat Sachsen stammt, sollen die Flächen erworben werden. Anschließend soll sich das Forschungszentrum, das Center for the Transformation of Chemistry, hier ansiedeln können.

Kriminelle Kraftwerksbetreiber

Bis es soweit ist, muss aber noch aufgeräumt werden. Der aktuelle Grundstückseigentümer, eine Leipziger Immobilien-Firma, muss das Gelände von maroden Anlagenteilen und tausenden Tonnen Abfall befreien. Hinterlassenschaften der kriminellen Betreiber des Kraftwerks.

Schwarze Deponie: Bürgerverein wirft Behörden Versagen vor. (Foto: muellrausch.de)

Mit der Tatortreinigung beauftragt wurde die Sanierungsfirma Hagedorn aus Niedersachsen. Seit rund zwei Monaten schon tragen ihre Mitarbeiter einen riesigen schwarzen Haufen ab, rund 21.500 Tonnen Schlacke und andere Verbrennungsrückstände aus den Öfen des früheren Biomassekraftwerks. Die Betreiberfirma GOAZ Energy hatte den Dreck einfach auf dem Betriebsgelände aufgetürmt, statt ihn umweltgerecht zu entsorgen. Im Jahr 2021 wurden zwei leitende Mitarbeiter der mittlerweile insolventen Firma deswegen vom Amtsgericht Eilenburg zu Geldstrafen verurteilt.

Der Bürgerverein „Sauberes Delitzscher Land“ hat den Betrieb des Kraftwerks von Anfang an kritisch begleitetet und immer wieder auf Missstände aufmerksam gemacht. 2019 nahm der Verein Proben auf dem Gelände und stieß in der Filtertechnik, die durch einen teilweisen Abriss offen lag, auf sehr hohe Konzentrationen hochgiftiger Dioxine und Furane. Auch der illegale Schlackeberg soll belastet sein.

Vor wenigen Tagen nun, beim Besuch der Minister Gemkow und Schmidt, erneuerte der Verein seine Kritik. Ein Banner, das am Außenzaun des Betriebsgeländes angebracht war, warnte mit Totenkopf-Symbol vor Dioxinen. In einer Pressemitteilung warf der Verein den zuständigen Behörden „Versagen bei der Kontrolle und Überwachung des Rückbaus und der Entsorgung hochproblematischer Abfälle“ vor und forderte darin, dass die Landesdirektion Sachsen die Hoheit über das Verfahren übernehmen solle.

Dietmar Mieth, Vorsitzender des Bürgervereins, erläutert im Gespräch mit muellrausch.de die Vorwürfe näher. Ihm zufolge seien Arbeiter („Sie schneiden die Filterschläuche mit Cuttermessern auf.“) und Bevölkerung nicht ausreichend vor gefährlichen Stäuben geschützt. Mieth beruft sich nicht nur auf die eigenen Untersuchungen. Er verweist auch auf den Bebauungsplan. Darin heißt es tatsächlich:

„Im Bereich Kamin/Abgasreinigungsanlage Kesselhaus lagern in freigelegten Anlageteilen nachweislich noch Aschen und Stäube innerhalb des Gebäudes (…), die nachweislich dioxinbelastet sind.“

Bebauungsplan Nr. 45 „Forschungs- und Transfercampus Chemie – CTC“, Große Kreisstadt Delitzsch

Die Sanierungsfirma Hagedorn weist Bedenken auf Anfrage von muellrausch.de zurück. „Bei allen Bau- und Anlagenteilen werden sämtliche Liegendstäube ordnungsgemäß abgesaugt und in separaten Big-Packs zur Beprobung gelagert. Die Liegendstäube werden entsprechend der gemessenen Dioxin-Werte und den geltenden Grenzwerten einer dafür zugelassenen Entsorgung zugeführt.“ Mitarbeiter seien mit der vorgeschriebenen Schutzausrüstung ausgestattet, teilt die Firma über ihre Sprecherin weiter mit.

Wir haben auch den Landkreis Nordsachsen am Donnerstag (29.8.), dem Tag des Minister-Besuchs in Delitzsch, um eine Stellungnahme gebeten. Es war ihm nach eigenen Angaben innerhalb von zwei Tagen nicht möglich. „Es fehlt noch die letzte Abstimmung“, kündigte ein Sprecher des Landkreises das Statement für die darauffolgende Woche an. Gegebenenfalls reichen wir es nach.