Industriemüll im polnischen Tuplice: Freistaat Sachsen plant mit rund 2,5 Millionen Euro für die Entsorgung

Das Land Sachsen wird rund 2,5 Millionen Euro bezahlen, um ein illegales Abfalllager in Polen beseitigen zu lassen. Das teilte die Landesdirektion Sachsen auf Anfrage von muellrausch.de mit.

Einfach abgeladen: Zinkwälzschlacke im polnischen Tuplice (Foto: A. Fedorska)

Bei dem Müll handelt es sich um sogenannte Zinkwälzschlacke. Die Schlacke stammt aus einer Fabrik im Erzgebirge. Der Fabrikbesitzer, die Firma Befesa Zinc Freiberg GmbH, weigert sich, den Industriemüll zurückzunehmen und geht rechtlich gegen eine entsprechende Anordnung der zuständigen Behörde, der Landesdirektion Sachsen, vor.

Der Streit zwischen Landesdirektion und Unternehmen dauert schon ein paar Jahre. Die Behörde will das Ende nicht abwarten. „Der Freistaat geht bei Rückholung und Entsorgung in die Ersatzvornahme“, berichtete ein Behördensprecher auf Nachfrage von muellrausch.de. 

Seit beinahe zehn Jahren lagert der Industriemüll in Tuplice, einem Dorf kurz hinter der deutsch-polnischen Grenze. Ursprünglich soll es sich um mehr als 40.000 Tonnen Material gehandelt haben. Ein Teil der Abfälle sei mittlerweile verarbeitet worden, wie im Jahr 2021 der damalige stellvertretende polnische Umweltminister Jacek Ozdoba (PiS) an die damalige Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) schrieb. Das Schreiben liegt muellrausch.de vor.

Auszug aus dem Schreiben vom polnischen ans deutsche Umweltministerium

PiS-Politiker Ozdoba berichtet darin von weiteren illegalen Abfalllagern mit deutschem Müll und fordert die Bundesregierung zur Rückholung auf. Da dies nicht erfolgt ist, hat Polen im vergangenen Jahr Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Eine Entscheidung steht noch aus.

Entscheidend bei der Auseinandersetzung am EuGH ist die Frage, wer für die illegalen Abfalllager verantwortlich ist, die polnische oder die deutsche Seite. 

Im Fall von Tuplice haben beide Seiten eine Einigung erzielt. Das klang so auch schon im Schreiben von Ozdoba ans Bundesumweltministerium an. Eine Rückführung der Abfälle war demnach bereits 2019 vereinbart worden, geriet aber ins Stocken, was wohl an langwierigen verwaltungsrechtlichen Verfahren in Deutschland und den beteiligten deutschen Firmen liegt.

Exportiert hat den Industriemüll eine Firma aus Chemnitz. Die wurde aber im Jahr 2019 aufgelöst. Deshalb versucht die Landesdirektion Sachsen, den Erzeuger des Abfalls in die Pflicht zu nehmen, die Befesa Zinc Freiberg GmbH. Doch das Unternehmen wehrt sich juristisch, da es „die Verbringung nach Polen nicht veranlasst“ habe, wie ihr Geschäftsführer auf Anfrage von muellrausch.de begründet. Einen Antrag von Befesa gegen die behördliche Anordnung hat das Verwaltungsgericht Chemnitz im November 2023 allerdings abgelehnt. Befesa hat daraufhin Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Bautzen eingelegt. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.

Die Landesdirektion Sachsen ist offenbar zuversichtlich, dass sie in ihrem Sinne ausfallen wird und plant bereits die Rückholaktion. Eine Ausschreibung sei erfolgt, so der Behördensprecher. Voraussichtlich bis Ende Oktober sollen die Schlackeberg aus Tuplice verschwinden.

Wie lang sich der Streit um die Verantwortung noch hinzieht, ist unklar. Die Kosten für Transport und fachgerechte Entsorgung hat die Landesdirektion aber schon durchgerechnet. Sie kalkuliert mit exakt 2.521.000 Euro. Das entspricht ungefähr 10 bis 15 Prozent des Gewinns, den das Befesa-Werk Freiberg im Jahr erwirtschaftet.


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