Wo Müll ist, da ist in Italien die Mafia nicht weit. Bis in die Chefetagen von Entsorgungsunternehmen reicht ihr Einfluss. Doch nicht alle Entsorger, die illegal verklappen, seien mafiös, heißt es in einem Bericht der italienischen Antimafia-Behörde aus dem Jahr 2019. Manche kopierten lediglich die Entsorgungspraktiken der Clans.
Zwei Mal im Jahr veröffentlicht die italienische Antimafia-Behörde DIA ihre Berichte und sie liefert wichtige Informationen. Doch es ist etwas kompliziert zu verstehen, was die DIA eigentlich ist, die Direzione Investigativa Antimafia. Vereinfacht gesagt koordiniert sie die Arbeit von drei verschiedenen Strafverfolgungsbehörden: der Polizei ( Polizia dello Stato), der Finanzpolizei (Guardia di Finanza) und den Carabinieri, der Militärpolizei, die aber zivile Aufgaben übernimmt. Regelmäßig informiert die DIA das italienische Parlament über Ermittlungen gegen die Mafia-Clans und beschreibt Schwerpunkte. Im zuletzt veröffentlichten Bericht geht es um das 1. Halbjahr 2019 und einer der Schwerpunkte ist Kriminalität in Verbindung mit Abfall.
Clans und „normale“ Müllkriminelle
Das Thema hat eine lange Vorgeschichte. Die DIA setzt ihrem Bericht einen kleinen Exkurs voran: „Es kommt Müll herein und Gold geht raus“, so hörte die Polizei vor rund drei Jahrzehnten in einem Telefongespräch eines sizilianischen Mafioso. Die Clans hätten schon damals die Bedeutung dieses Gewerbes (Einsammeln, Transportieren und Verwertung von Abfall) für sich erkannt. Vor allem, so die DIA weiter, merkten die Clans schnell, dass sie im Vergleich zu anderen Sektoren der Kriminalität häufig ohne Strafe durchkommen.
Für Italien enthält der Bericht so interessante Aussagen wie, dass Unternehmen, die im Abfalltransport tätig sind, von Opfern der Clans zu Komplizen wurden und dass die von der Organisierten Kriminalität kontrollierten Unternehmen quasi ein Monopol haben. Daraus kann man schließen, dass das Risiko, bei grenzüberschreitendem Abfallhandel mit Akteuren der Organisierten Kriminalität zusammenzuarbeiten, sehr hoch ist. Es gebe mafiöse Unternehmen, die in der Lage seien, jede Aufgabe im Abfallbusiness zu übernehmen. In dem Bericht wird ein Staatsanwalt aus Norditalien zitiert, der beschreibt, dass normale Unternehmen das Vorgehen der Kriminellen kopierten, auch ohne mafiös zu sein, und Abfälle nicht mehr ordnungsgemäß entsorgten. Oder sich wie selbstverständlich an die Mafia-Clans wandten und sie als Partner sähen. Exemplarisch wird ein Ermittlungsverfahren gegen einen sizilianischen Mafia-Clan angeführt, den Clan Rinzivillo. Dieser Clan ist auch im internationalen Drogenhandel aktiv. Seine Mitglieder agieren unter anderem in Deutschland – was im Übrigen bei einem Gutteil aller Mafia-Clans der Fall ist.
Mit Blick auf das inneritalienische Abfallgeschäft widerlegt der Bericht eine gängige Vorstellung, nämlich dass die Abfallströme von Nord nach Süd führten. Es ist zwar zutreffend, dass mit Beginn der 1980er Jahre viele Abfälle vom Norden in den Süden Italiens verbracht wurden, vor allem aus der Lombardei und dem Veneto. Im Süden verschwand der Abfall dann mit dem Plazet der lokalen Mafia-Clans in Gruben oder an anderen Orten, wo er nicht hingehört. Der Antimafia-Bericht beschreibt aber, dass auch schon sehr früh Abfälle innerhalb Norditaliens verschoben worden seien, sie landeten auch dort häufig in Gruben, die verfüllt wurden und auf denen in der Folge nicht selten Gemüse angebaut wurde. Viele Ermittlungsverfahren zeigten zudem, dass Abfälle aus Gebieten verschoben wurden, wo Mafiosi Einfluss auf die Politik und auf Wahlen nehmen wollten.
Trickserei bei Exporten
Ein Absatz des Berichts widmet sich den internationalen Handelswegen des Abfalls. Darin wird darauf hingewiesen, dass die Wege häufig von industrialisierten Ländern hin zu weniger reichen Ländern führten, wo es Mängel in der Gesetzgebung gebe und Abfälle oft mit weniger Rücksicht auf Umweltbelange entsorgt würden. Auch das Importverbot Chinas für 24 Abfallarten wird erwähnt, dies habe dazu geführt, dass einige Abfall-Ströme nun andere Wege nähmen. Laut dem Bericht hat Italien allein im Jahr 2017 rund 355.000 Tonnen Siedlungsmüll in andere Länder exportiert.
Zitiert wird auch ein Rapport der Umweltschutz-Einheit der Carabinieri. Darin wird ein Trick beschrieben, der häufig angewandt werde: Abfälle, die in Italien nur zu hohen Kosten entsorgt werden können, werden entweder ins Ausland gebracht, oder es wird der Export vorgegaukelt. Anschließend belegten Papiere den Reimport des bearbeiteten Abfalls. De facto haben die Abfälle Italien aber nie verlassen und wurden auch nicht wie auf den Papieren angegeben behandelt.
Die Zusammenfassung am Ende des Teils, der sich mit Abfallkriminalität befasst, ist wenig optimistisch. Die illegale Handhabung von Abfällen wachse kontinuierlich und die Betonung erscheine überflüssig, dass es sich um einen Sektor handele, der für die Organisierte Kriminalität „höchst interessant“ ist. Zunächst habe die neapolitanische Camorra das Business für sich entdeckt, mit der Zeit hätten die anderen mafiösen Organisationen nachgezogen (also die ’ndrangheta aus Kalabrien, die Cosa Nostra aus Sizilien, die Sacra Corona Unita aus Apulien). Man dürfe aber nicht den Fehler machen und diese Art der Umweltkriminalität als eine rein mafiöse sehen, denn dann laufe man Gefahr, die wahre Natur des Phänomens aus dem Blick zu verlieren, derzufolge diese Delikte zustande kommen unter Mithilfe von skrupellosen Unternehmern und Beamten, und von Politikern. Der Bericht erwähnt auch, vor allem im grenzüberschreitenden Kontext, die Verwicklung von Brokern beziehungsweise Müllmaklern.
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