Wer steckt hinter der illegalen Mülldeponie in Güstrow, die aktuell für rund vier Millionen Euro beseitigt wird? Diese Frage ist auch zweieinhalb Jahre nach Auffliegen des Skandals nicht beantwortet. Recherchen von muellrausch.de bringen nun etwas Licht in diesen Fall.
Die Staatsanwaltschaft Rostock kennt offenbar die Firmen und Personen, die mutmaßlich für die illegale Deponie in Güstrow verantwortlich sind. Ihr liegen Geschäftsunterlagen vor, die entsprechende Hinweise liefern. Darunter sind Quittungen, die belegen sollen, dass der „ganz überwiegende Teil“ des Abfalls zwischen November 2019 und Februar 2020 auf dem Gelände in Güstrow abgekippt wurde. Fünf Personen stehen im Verdacht, an dem schmutzigen Geschäft beteiligt gewesen zu sein, zwei von ihnen halten die Ermittler aus Rostock für die Initiatoren. Namen nennt die Staatsanwaltschaft wegen laufender Ermittlungen aber nicht. Das Problem: Die beiden Hauptverdächtigen konnten bislang weder vernommen geschweige denn festgenommen werden. Sie haben sich, so die Vermutung, ins Ausland abgesetzt.

Recherchen von muellrausch.de zeigen nun, wer die Drahtzieher gewesen sein könnten. Im Mittelpunkt steht ein Mann, der in der Vergangenheit schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Der heute 72-Jährige musste wegen gewerbsmäßigen Betrugs auch schon zwei Mal eine Haftstrafe absitzen. Bei seinen Betrügereien spielte auch der Lagerplatz in Güstrow eine wichtige Rolle. Unter anderem war hier das Büro, von dem aus der Mann seine Geschäfte steuerte. Das und noch viel mehr lässt sich drei Gerichtsurteilen entnehmen, die muellrausch.de vorliegen und ausgewertet hat.
Altpapier, Granulat und eine Golduhr
Seine Betrugsmasche war so simpel, dass er damit eigentlich nur auffliegen konnte. Der Mann bestellte Waren, ließ sich Paletten, Computer und eine Golduhr nach Güstrow liefern, bezahlte dafür aber nicht. So kam auch der erste Müll auf das Gelände. Denn auch Altpapier und Granulate aus recyceltem Kunststoff hatte er geordert, um sie weiterzuverkaufen. Zusammen mit drei Komplizen hatte er die Lieferanten um insgesamt rund 850.000 D-Mark geprellt. Die betroffenen Unternehmen erstatteten Anzeige und so nahm das betrügerische Geschäft nach nur einem Jahr ein abruptes Ende. 1998 wurde der Mann zu einer viereinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt. Unter Bewährungsauflagen wurde er vorzeitig entlassen.
Kaum war der Mann auf freiem Fuß, versuchte er es erneut: Mit ziemlich exakt der gleichen Masche und ähnlichen Waren wollte er das schnelle Geld machen – und wanderte wieder ein. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Güstrow im Jahr 2006 kamen weitere Details zu dem Lagerplatz in Güstrow zur Sprache. Ein betrogener Kaufmann, der in dem Verfahren aussagte, berichtete, dass er den Mann dort aufgesucht habe, um ihn zur Rede zu stellen. Der Zeuge sah, was damals auf dem Gelände lag: PVC-Kabelmaterial mit Kupferresten, Kunststoffkanister mit Restinhalten. „Aus seiner Sicht sei dies schlichtweg Müll gewesen“, heißt es im Gerichtsurteil.
Für die Müllablagerungen hat sich offenkundig niemand interessiert, weder Richter, Staatsanwaltschaft, Polizei noch Umweltbehörden. Ein folgenschweres Versäumnis, das die Steuerzahler heute vier Millionen Euro kostet. Das ist der Preis, den das Land Mecklenburg-Vorpommern zahlen muss, um den gesamten Abfall von der illegalen Deponie in Güstrow zu entsorgen.
Das Schlimmste hätte aber wohl noch verhindert werden können, wenn der Mann wegen eines anderen Delikts, wegen dem er seit November 2018 ebenfalls rechtskräftig verurteilt ist, auch ins Gefängnis gewandert wäre. Doch das tat er nicht. Was war geschehen?
Auf der Karriereleiter seiner kriminellen Laufbahn war der Mann noch eine Stufe höher gestiegen. Dieses Mal ging es nicht um Paletten und Granulate, sondern um 30 Kilogramm Kokain, die aus Südamerika nach Deutschland geschmuggelt wurden. Der Drogen-Deal lief über eine Hamburger Firma, die dem Mann gehörte. Hamburg war ohnehin seine Heimat. Hier wurde er im Jahr 1977 das erste Mal straffällig. Hier betrieb er weitere Firmen und hatte Kontakte zu anderen Kriminellen. Den Kokainschmuggel führte er mit einem Komplizen durch, den er aus dem Gefängnis kannte.
Die Drogen waren in einem Seecontainer versteckt. Zum Schein war er mit einer Ladung Ziegelsteine befüllt. Doch im Hafen von Antwerpen entdeckte der belgische Zoll die Drogen. Um den Schmugglern auf die Schliche zu kommen, wurde der Container, bevor er die Weiterreise nach Deutschland antrat, mit einem Peilsender versehen. Der führte die Ermittler schließlich zu einer Lagerhalle unweit von Hamburg. Und zu dem Mann.
Wegen illegaler Einfuhr von Betäu…