ANALYSE: Der Exportboom nach Tschechien und Polen – und seine Schattenseiten

Seit dem Betritt Tschechiens und Polens zur Europäischen Union (EU) im Jahr 2004 sind die deutschen Müllexporte in beide Länder stark gestiegen.

Die Ausfuhren nach Tschechien haben sich mehr als verfünffacht. Die Exporte nach Polen sind seit EU-Beitritt des Landes sogar um mehr als das Elffache gestiegen. Zuletzt waren die Exportzahlen zwar leicht rückläufig. Dennoch verlaufen sie nach wie vor auf einem hohen Niveau.

Ein Teil des exportierten Mülls in unsere beiden osteuropäischen Nachbarländer besteht offiziellen Angaben zufolge aus verwertbaren Materialien, die ohne behördliche Genehmigung (sog. Notifizierung) frei gehandelt werden dürfen. Der aktuellsten Statistik zufolge zählen rund ein Drittel der Exporte nach Tschechien zu diesen nicht genehmigungspflichtigen Mülltransporten.

Bei den Transporten nach Polen spielen nicht genehmigungspflichtige Abfallexporte eine noch größere Rolle. Mit einem Anteil von mehr als 70 Prozent übertreffen sie die notifizierten Ausfuhren deutlich.

Das Spektrum der nicht genehmigungsbedürftigen und somit frei handelbaren Abfälle ist breit gefächert. Vor allem Eisen- und Metallschrott wandern über die deutsche Grenze nach Osten, wie detailliertere Zahlen für das Exportjahr 2017 zeigen. Zu den größten Posten zählen auch Textilabfälle, Altholz, Plastikmüll sowie Schlacken und Aschen.

Die offizielle Statistik ist allerdings mit Skepsis zu betrachten. Denn ob die freigehandelten Abfälle auch wie vorgesehen verwertet wurden, ist in einigen Fällen mehr als fraglich. So stellte sich bei Recherchen für das Greenpeace Magazin und für die Berliner Zeitung heraus, dass massenhaft deutscher Müll auf illegalen Halden in Polen vor sich hinrottet, darunter auch Abfälle aus dem Gelben Sack.

Bei Abfalltransportkontrollen durch Polizei und Behörden fallen außerdem immer wieder Transporte damit auf, dass sie ihre Ladungen falsch deklarieren und notifizierungspflichtige Abfälle als frei handelbare Ware ausgeben. So sind dem tschechischen Zoll allein in der ersten Hälfte des Jahres 2020 rund 20 illegale Mülltransporte aus Deutschland ins Netz gegangen.

Die Recherche für das ZDF-Format „Die Spur“ und das Magazin „Reportagen“ entlarvt nun einen Trick der Müllschieber und zeigt: Viele schwarze Lieferungen nach Tschechien werden gar nicht erst entdeckt. Sie gelangen unkontrolliert über die Grenze und fallen, wenn überhaupt, erst dann auf, wenn es zu spät ist, der Müll schon abgeladen wurde, sich auftürmt oder brennt.


Zusammenhänge erkennen! Jetzt ein Abo abschließen und bei den „Recherchen im Dreck“ immer auf dem Laufenden bleiben.