Die Staatsanwaltschaft Bochum ließ sich bei ihren Ermittlungen im Komplex um die sogenannten Ölpellets von der Bezirksregierung Münster beraten. Sie wurde offenbar schlecht beraten. Diesen Schluss legen zwei Dokumente nahe, die muellrausch.de ausgewertet hat.
Bei dem einen Dokument handelt es sich um das schriftliche Urteil des Landgerichts Bochum vom 2. Oktober 2018 gegen einen Müllhändler, der rund 30.000 Tonnen ölhaltigen Abfall aus einer Raffinerie, sog. Ölpellets, verklappt hat. In dem 48-seitigen Papier ist unter anderem von einem „umfassenden Versagen mehrerer Kontrollbehörden über Jahre hinweg“ die Rede.
Das andere Dokument ist ein Fax der Generalstaatsanwaltschaft Hamm vom 6. Februar diesen Jahres, das unter anderem von der Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft Bochum mit eben einer dieser Kontrollbehörden, der Bezirksregierung Münster, handelt.
In dem vierseitigen Schreiben geht es eigentlich um eine Strafanzeige des Ortsvereins Bündnis 90/Grüne in Schermbeck. Für die Grünen ist der Mineralölkonzern British Petroleum „die Quelle des Übels“. Weil die Staatsanwaltschaft Bochum aber nicht gegen Mitarbeiter von BP ermittelte – mittlerweile tut sie es – werfen ihr die Lokalpolitiker Strafvereitelung im Amt vor.
Die Generalstaatsanwaltschaft sah jedoch keinen Anlass, „die Einleitung von Ermittlungen gegen die beschuldigten Staatsanwälte anzuordnen“, wie sie in ihrem Fax schreibt. Sie begründet ihre Entscheidung unter anderem damit, dass sich die Staatsanwaltschaft Bochum intensiv „mit den umwelt- und verwaltungsrechtlichen Fragen sowie den komplexen Sachzusammenhängen“ befasst und sich auch von der Bezirksregierung Münster beraten lassen habe -mit folgendem Ergebnis:
Es ist nicht ersichtlich, dass die Staatsanwaltschaft hierbei eine von der Auffassung der Bezirksregierung Münster abweichende und rechtliche unvertretbare Entscheidung getroffen hat.
Generalstaatsanwaltschaft Hamm, 6.2.2019
In der Folge beschränkte die Staatsanwaltschaft Bochum ihre Ermittlungen auf die Firmen, die die Ölpellets von BP übernahmen, mit weiteren Abfällen vermischten und in eine Tongrube bei Schermbeck verschoben. Gegen mehrere Beschuldigte wurde Anklage erhoben, ein Müllschieber wurde mittlerweile verurteilt.
Erst im Laufe der Gerichtsprozesse zeigte sich, dass noch andere Akteure in dem Skandal eine bedeutende Rolle spielten. Dazu gehört offensichtlich auch die Bezirksregierung Münster. Die Behörde war Teil des Problems. Das geht auch noch einmal aus dem schriftlichen Urteil gegen den Müllschieber hervor. Demnach hat sie sich bei der Bewertung der Ölpellets einzig und allein an den Angaben von BP orientiert und keine eigenen Untersuchungen dieser Abfälle, die bis heute in einer Raffinerie in Gelsenkirchen anfallen, durchgeführt. Die Staatsanwaltschaft holte sich bei ihren Ermittlungen Rat bei einer Behörde, die bei ihren eigenen Kontrollen versagte.
Nicht einmal den mit den Ölpellets befassten Mitarbeitern der zuständigen Bezirksregierung Münster war aufgefallen, dass die Deklarierung der Ölpellets als harmloser Industrieruß falsch war und diese eigentlich als gefährlicher Abfall hätten eingestuft werden müssen.
Landgericht Bochum, Urteil vom 2. Oktober 2018
Dass Staatsanwaltschaften bei Ermittlungen im Bereich Müllkriminalität mit Umwelt- beziehungsweise Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten, ist alles andere als ungewöhnlich. Genauso wenig wie die Tatsache, dass sie sich auf die Expertise und Erkenntnisse der Behörden verlassen (müssen). Allerdings wirft dieser Fall einmal mehr die Frage auf, ob sie sich auch darauf verlassen können.
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