Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung Planungs- und Genehmigungsverfahren, die wegen Corona ruhen, wieder in Gang bringen. Erörterungstermine etwa könnten entfallen.
Die Genehmigung für Tesla in Brandenburg stockt. Der für Mitte März angesetzte Erörterungstermin, bei dem Befürworter und Kritiker der geplanten E-Auto-Fabrik ihre Argumente in einer öffentlichen Sitzung austauschen können, musste ausfallen. Wegen der Corona-Pandemie, wie das zuständige Landesamt für Umwelt mitteilte. „Alle Einwenderinnen und Einwender, auch ältere und Personen mit Vorerkrankungen, sollen bei einem Erörterungstermin die Möglichkeit nutzen können, ihre Anliegen vorzubringen“, hieß es. Wann und wie es weitergeht, ist ungewiss.
Tesla ist kein Einzelfall. Auch der Termin, an dem die Erweiterung der Deponie Wiewärthe im thüringischen Pößneck erörtert werden sollte, wurde kürzlich abgesagt. In Düsseldorf muss der geplante Ausbau einer Zugstrecke warten. Es ließen sich weitere Beispiele aufzählen. Das Virus hat mehrere Planungsvorhaben ausgebremst. Die Bundesregierung will sie wieder beschleunigen und hat dafür ein neues Gesetz auf den Weg gebracht. Sie nennt es Planungssicherstellungsgesetz, abgekürzt PlanSiG.
„Mit dem Gesetz soll gewährleistet werden, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie besondere Entscheidungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung auch unter den erschwerten Bedingungen während der Covid-19-Pandemie ordnungsgemäß durchgeführt werden können“, heißt es im Gesetzentwurf der beiden Fraktion CDU/CSU und SPD.
Bei Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen stößt das PlanSiG auf Kritik. Sie fürchten um ihre Einflussmöglichkeiten. „Die Rechte von Bevölkerung und Umweltverbänden in umweltrechtlichen Verfahren werden in unangemessener Weise eingeschränkt“, kritisiert der „Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz“ (BBU) in einer Stellungnahme an die Bundesregierung. Der BBU vertritt nach eigenen Angaben die Interessen von mehr als 30 BI’s und Umweltgruppen. Ihre Forderung in Zeiten von Corona: Verfahren vorläufig aussetzen.
Die Bundesregierung führt im Wesentlichen drei Gründe für ihr Gesetzesvorhaben an:
- Eine öffentliche Auslegung von Antragsunterlagen und Zulassungsbescheiden sei nicht möglich, da viele Gemeindeverwaltungen wegen der im Zuge von Corona erlassenen Kontaktbeschränkungen für den Publikumsverkehr gesperrt wurden.
- Die Beschränkungen führten zu Problemen bei der Durchführung von Antragskonferenzen und Erörterungsterminen, da sie in einigen Fällen die Anwesenheit der Öffentlichkeit, zumindest aber die der Verfahrensbeteiligten voraussetzen.
- Den zuständigen Behörden stünden nur noch „eingeschränkte Personalressourcen“ zur Verfügung.
Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Lösungen:
- Informationen und Unterlagen sollen über das Internet zugänglich gemacht werden.
- Als Ersatz für Erörterungstermine, Antragskonferenzen und andere mündliche Verhandlungen soll ein neues Instrument eingeführt werden: die Online-Konsultation. Alternativ könne auch eine Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden.
- Wo Erörterungstermine im Ermessen der Behörden liegen, könne auf die Durchführung gänzlich verzichtet werden.
Kritik von Bürgerinitiativen und Umweltgruppen
Das PlanSiG betrifft laut BBU fast alle zentralen Bereiche des Umweltrechts, z.B. das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, das Bundesimmissionsschutzgesetz, das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das Bundesberggesetz und das Atomgesetz. Im Windschatten der Coronakrise könnten umstrittene Großprojekte genehmigt werden, warnt der Verband in einer Pressemitteilung vom 12. Mai.
Für großes Unverständnis sorgt beim BBU vor allem der Vorschlag, Erörterungstermine zu streichen. „Der Erörterungstermin stellt das Herzstück umweltrechtlicher Verfahren dar. Ihn im Rahmen des Ermessens trotz substantieller Einwendungen gänzlich fallen zu lassen oder durch eine Online-Konsultation zu ersetzen, höhlt die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Umweltverbände in extremer Weise aus und macht sie faktisch zur Farce“, so der Verband in seiner Stellungnahme.
Darin wird außerdem eine Corona-Pause gefordert. Wo Erörterungstermine oder mündliche Verhandlungen in Betracht kommen, sollten dem BBU zufolge Verfahren bis zum 30. September 2020 ausgesetzt werden. Nach Ablauf dieser Frist sei die Lage neu zu beurteilen.
Für „derzeit gerechtfertigt“ halten „den weitgehenden Ausschluss der Öffentlichkeit“ hingegen die beiden Rechtsanwälte Jan Thiele und Maximilian Dombert. „Gerade weil die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie jetzt schon erheblich sind, muss unbedingt vermieden werden, dass die ohnehin schon zeitintensiven Zulassungs- und Aufstellungsverfahren nicht auf unabsehbare Zeit hinausgezögert werden“, schreiben sie in einem Gastbeitrag im juristischen Fachmagazin Legal Tribune Online.
Thiele und Dombert, die die Gemeinde Grünheide in Brandenburg bei der Ansiedlung von Tesla beraten, sehen einen Verzicht auf Erörterungstermine zwar auch kritisch. Aber aus einem anderen Grund als Bürgerinitiativen und Umweltverbände: „Damit steigt das Risiko, dass Vorhaben im Nachgang wegen einer vermeintlich unzureichenden Öffentlichkeitsbeteiligung angegriffen werden.“
Das PlanSiG soll seinem Entwurf zufolge bis 31. März 2021 befristet werden. Für Verfahren, die bis dahin nicht abgeschlossen sind, sollen die Corona-Regeln bis zum Abschluss des jeweiligen Verfahrensschrittes weiter gelten. Die Bestimmungen sollen außerdem auch in Verfahren anwendbar sein, die vor Inkrafttreten des Gesetzes begonnen wurden. Zunächst aber wird der Bundesrat über das Gesetz abstimmen müssen.
Update (19.5.): Der Bundesrat hat dem Gesetz in seiner Sitzung am 15. Mai 2020 zugestimmt. (Beschlussdrucksache 247/20)
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