Mehr als 30 Millionen Euro Schaden durch Müllmafia in Mecklenburg-Vorpommern

Dubiose Müllhändler haben seit der Wende auch in Mecklenburg-Vorpommern großen Schaden angerichtet. Mindestens 22 illegale Abfalllager und Deponien verteilen sich heute über das Bundesland.

Die illegale Deponie in Güstrow: Davon gibt es mehrere in MV. (Foto: muellrausch.de)

Schon vor rund fünf Jahren führte uns eine Recherche nach Mecklenburg-Vorpommern (MV). Damals ging es um ein illegales Abfalllager in Barnekow bei Wismar. Dies ist mittlerweile größtenteils beräumt. Nun rücken andere Fälle in den Fokus. Gleich eine ganze Liste. Insgesamt 22 Orte in einer Excel-Tabelle, die das Landesumweltministerium nach einer NDR-Anfrage zusammengestellt hat. Die Abfallmengen, die darin angegeben sind, summieren sich auf fast 500.000 Tonnen. Alles illegal abgelagert. Das Fünfache dessen, was die Einwohner von Rostock Jahr für Jahr in ihre Mülleimer werfen.

Unter den tabellarisch erfassten Müllsünden ist auch ein Fall, der vor einem Dreivierteljahr sogar bundesweit für Schlagzeilen sorgte: Im Sickerwasser einer nicht genehmigten Müllkippe in Güstrow, die in einer Trinkwasserschutzzone liegt, fanden sich erhöhte Werte von Arsen und Quecksilber. Das sind giftige Schwermetalle, die Nervenzellen schädigen und Krebs auslösen können. Die illegale Halde wurde seit Mitte der 1990er Jahre betrieben. Noch Anfang 2020 karrten Lastwagen Müll heran. Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) äußerte sich erst nach mehreren Medienberichten zu dem Fall („ein Schandfleck inmitten unseren schönen Bundeslandes“) und kündigte im Oktober vergangenen Jahres an, die Giftberge von Güstrow räumen zu lassen. Da sich die mutmaßlichen Verursacher laut Behörden ins Ausland abgesetzt haben, muss das Land die Kosten dafür vorstrecken: schätzungsweise rund 3,8 Millionen Euro.

Es ist mir allerdings noch immer ein Rätsel, wie derart große Müllmengen hier abgelagert werden konnten, angeblich ohne dass irgendjemand davon etwas mitbekommen hat.

Till Backhaus, Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern

Nun zeigt sich: Barnekow und Güstrow sind nicht die einzigen Müllprobleme im Land. Es gibt es sogar noch größere und teurere Dreckberge. In der Kleinstadt Mirow im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte rotten seit vielen Jahren zehntausende Tonnen Plastikmüll und Klärschlamm vor sich hin. Rund 6 Millionen Euro würde es kosten, sie wieder loszuwerden. Genauso viel wäre für eine illegale Deponie in Crivits unweit von Schwerin fällig. Rund 100.000 Tonnen Müll, Gemische von Baustellen, warten dort seit rund zwei Jahrzehnten auf eine fachgerechte Entsorgung. Unter dem Müll lauert auch Asbest. Ein dicker, wenn nicht sogar der dickste Brocken lastet auf Jabel. Das 600-Seelen-Dorf bei Waren (Müritz) ist ein beliebter Ferienort mit eigenem See. Nördlich des Ortes, etwas abseits und schon stark begrünt, türmen sich rund 125.000 Tonnen Bauschutt, Altholz, Schrott und Gießereisande zur wohl größten illegalen Deponie des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern auf.

Die Fälle in MV reichen mitunter 10, 20 oder 30 Jahre zurück. Dennoch sind einige von ihnen wohl noch nie ans Licht der Öffentlichkeit gelangt. Andere waren in Vergessenheit geraten. Über die Hintergründe ist heute nur wenig bekannt. Ein paar Details finden sich in der Auflistung des Ministeriums. So handelt es sich häufig um einst genehmigte Anlagenstandorte. In Crivitz und in Jabel verstießen die Betreiber gegen Auflagen, nahmen zum Beispiel mehr Müll an als erlaubt – und gingen insolvent. Auch in vielen anderen Fällen existieren die Betreiberfirmen nicht mehr und auf ihren Hinterlassenschaften sind die Gemeinden sitzen geblieben. Sie von all dem Dreck zu befreien, würde nach Landes-Angaben insgesamt rund 33 Millionen Euro kosten.

Wie schmutzig die Deals der Verursacher tatsächlich sein können, zeigt der Blick zurück nach Barnekow. Die Müllberge in dem Dorf bei Wismar stammten von Entsorgungsunternehmern aus Schleswig-Holstein, die auch in Geschäfte mit illegalen Abfalllagern in Niedersachsen und in Brandenburg verwickelt waren.

Wie Kriminelle versuchen, Spuren zu verwischen, zeigt das jüngste Beispiel Güstrow. Betreiber der illegalen Müllkippe im Trinkwasserschutzgebiet war laut der zuständigen Umweltbehörde eine Firma namens Lauretta Verlagsgesellschaft. Ihrem Namen nach hat diese Firma mit Abfall und Entsorgung nichts zu tun. Sie ist eine Art Tarnfirma, hinter der nach Recherchen fürs Greenpeace Magazin eine Unternehmerfamilie aus Hamburg steckt, die im Im- und Exportgeschäft tätig ist. Eine Spur des Mülls führt nach Holland.


Hinweisen zufolge könnte es noch mehr illegale Abfalllager und Deponien in Mecklenburg-Vorpommern geben. Sie müssen erst noch überprüft werden. Wenn Sie muellrauch.de unterstützen möchten, dann abonnieren Sie gern den Newsletter. Im Gegenzug bleiben Sie auf dem Laufenden und erhalten exklusive Einblicke in laufende Recherchen.