Die Hinweise verdichten sich, dass die deutsche Müllmafia im großen Stil Abfälle in dunkle Kanäle nach Polen verschiebt. Und das nicht erst seit gestern. Eine Chronologie:
- Verschiedene Experten, die das Bundeskriminalamt (BKA) in einem Forschungsprojekt 2004 interviewte, hatten mit dem Beitritt Polens sowie anderer osteuropäischer Staaten zur EU mit einer Abfallverschiebung in diese Länder bereits nach dem deutschen Deponieverbot im Jahr 2005 gerechnet. „Abfallwirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung“
- Damals lagen die Kriminalisten falsch und die dunklen Löcher viel näher, nämlich diesseits der deutschen Grenze, zum Beispiel in Tongruben in Sachsen-Anhalt und in Kiesgruben in Brandenburg. Rund zehn Jahre später scheint sich ihre Prognose aber doch noch zu bewahrheiten.
- Im Februar 2017 brannte bei einem Entsorgungsbetrieb im polnischen Brózek, unweit der deutschen Grenze, ein riesiges Abfalllager mit Plastikmüll. Der Brand dauerte mehrere Wochen an. Schwarze Rauchschwaden zogen über die Neiße und verpesteten selbst in Forst (Lausitz) die Luft. Die Abfälle stammten laut einem Bericht der Lausitzer Rundschau, die sich auf eine polnische Behörde berief, zu einem großen Teil aus Deutschland. Die Müllberge waren demnach bereits seit dem Jahr 2013 immer weiter angewachsen. Auflagen und Strafen kümmerten den Anlagenbetreiber offenbar wenig.
- Auf einem alten Bahnhofsgelände bei Czerniejewo nahe Posen stieß eine Reporterin des RBB im November 2017 auf Abfälle aus Deutschland. Ein polnischer Umweltpolizist sagte ihr, dass deutsche Unternehmer und ihre polnischen Helfer „ein Riesengeschäft“ mit illegaler Entsorgung machten – und zwar „seit Jahren“.
- In den folgenden Monaten gingen auch andernorts in Polen Abfalllager in Flammen auf. Negativer Höhepunkt: der Großbrand in Zgierz im Mai 2018. „Hier brennen 50.000 Tonnen illegaler Müll“, titelte die größte deutsche Boulevardzeitung. Unter den brennenden Müllbergen befand sich erneut Dreck aus Deutschland.
- Die polnische Regierung zählte von Januar bis Ende Mai mittlerweile 70 Brände auf Deponien und Ministerpräsident Mateusz Morawiecki verkündete öffentlich, den Geheimdienst auf die Müllmafia anzusetzen.
- Das Branchenmagazin Euwid berichtete zur gleichen Zeit unter Berufung auf „Marktteilnehmer“: Jährlich verschwinden 200.000 bis 300.000 Tonnen Müll aus Deutschland in Osteuropa.
- Im August 2018 veröffentlichte die Sonderabfallgesellschaft Brandenburg/Berlin (SBB) einen brisanten Bericht. Die Brisanz steckte in wenigen Details. Das mehrseitige Papier ist ein Leitfaden für Unternehmer. Darin geht es um die Anforderungen für den Export von Plastikmüll und Bauabfällen innerhalb der EU. LKW-Kontrollen zeigten, dass Entsorger diese Anforderungen längst nicht immer erfüllten: „Mit Kunststoff- und Bauabfällen ins Ausland (z.B. nach Polen)?“
- Tausende Tonnen Abfall blieben auf einem Areal am Rand des Dorfes Sarbia liegen. Der Müll soll vor allem aus Deutschland stammen, berichtete ein RBB-Reporter Anfang dieses Jahres von seinem Besuch in der 600-Seelen-Gemeinde nördlich von Posen.
- Die Spur des Mülls, der in Polen verklappt und verbrannt wird, führt auch nach Großbritannien, wie etwa die Deutsche Welle berichtete.
- Britischer Müll kommt auch in großen Mengen nach Deutschland und wird hier in Müllverbrennungsanlagen entsorgt. Importe sind laut dem Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) ein wichtiger Grund für die starke Auslastung der Anlagen. Für deutschen Müll haben sie immer weniger Platz. Die Verbrennung wird außerdem immer teurer. „Wir haben den Verdacht, dass durch den gezielten Import die Kapazitäten knapp gehalten werden sollen. Das muss aufhören!“, forderte jüngst BVSE-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock.
- Nach dem Großbrand in der Kreisstadt Zgierz bei Lódz vor mehr als einem Jahr hat die polnische Staatsanwaltschaft im September 2019 36 deutsche Firmen im Visier. Sie werden laut Recherchen des ARD-Magazins Monitor verdächtigt, Müll illegal exportiert zu haben.
Diese Chronologie ist ein Auszug aus dem Newsletter von muellrausch.de, Nr. 16, 31. August 2019. Der Newsletter erscheint alle sechs bis acht Wochen und gehört zum kostenpflichtigen Angebot von muellrausch.de.
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