Kiesgrube Vietznitz: Müllprozess beginnt mit einem Geständnis

Mit einem Geständnis des Angeklagten hat vergangenen Mittwoch (10.3.) am Landgericht Potsdam der nächste große Müllprozess begonnen.

Geständig: Der Angeklagte (r.) im Müllprozess um die Kiesgrube Vietznitz (Foto: muellrausch.de)

Angeklagt ist ein 63 Jahre alter Mann. Die Staatsanwaltschaft Potsdam wirft ihm vor, im Tagebau Vietznitz bei Wiesenaue (Brandenburg) eine illegale Mülldeponie betrieben zu haben. Die Tat liegt zwölf Jahre und länger zurück. Damals war der Angeklagte geschäftsführender Gesellschafter einer Firma, die Kies aus dem Tagebau förderte. Mit dieser Kiesfirma soll er zwischen 1997 und 2009 ungefähr 225.000 Kubikmeter Müll unter Sand und Steinen verscharrt haben – aus Gewinnsucht, wie der Staatsanwalt bei Verlesung der Anklageschrift am Mittwoch sagte. Für die Annahme des Mülls soll der Beschuldigte insgesamt rund eine Million Euro kassiert haben.

Grundwasser verschmutzt

Tatsächlich durfte der ausgebeutete Teil des Tagebaus wieder befüllt werden, aber nur mit unbelasteten Schutt und anderen mineralischen Abfällen. Der Beschuldigte soll Materialien vergraben haben, die für die Grube ungeeignet und nicht genehmigt waren. Der Staatsanwalt zählte auf: Hausmüll, Gewerbeabfall, Baumischabfall, Plastikmüll und Schredderabfälle. Der Müll beeinträchtige Boden und Gewässer. Eine Sanierung sei sehr aufwändig und mit Kosten von bis zu 27 Millionen Euro verbunden. Obwohl das Grundwasser verschmutzt ist, wie bereits bei rbb24 berichtet, wurde bis heute nicht saniert.

Wegen der langen Verfahrensdauer darf der Angeklagte trotz der Schwere der Vorwürfe auf Strafnachlass hoffen. Der Vorsitzende Richter Axel Gerlach wies darauf hin, dass sich auch ein frühes Geständnis, eine „detaillierte und glaubhafte Einlassung“, wie er es nannte, strafmildernd auswirken könne. Dass der Angeklagte bereit ist, sich einzulassen, hat er schon im Vorfeld signalisiert – und damit vor allem auch seinen Sohn entlastet, der ursprünglich ebenfalls angeklagt war.

„Was in der Anklage steht, stimmt“, begann der Beschuldigte am Mittwoch mit seiner Einlassung. Allerdings will er nicht schon 1997, sondern erst 2001 mit der illegalen Müllentsorgung begonnen haben. Wie es dazu kam, wollte Richter Gerlach von ihm wissen. Daraufhin erzählte der Angeklagte von finanziellen Schwierigkeiten. Er habe viel Geld in eine Anlage zur Kieswäsche investiert, danach liefen die Geschäfte nicht wie erhofft. Bei der Finanzierung der Anlage sei er „ins Schwimmen“ gekommen. Insolvenz drohte. Die Abfälle seien „die Rettung in höchster Not“ gewesen. Der Richter hakte nach: „Zu welchen Preisen haben Sie Abfälle angenommen? Wo kamen die Abfälle her?“

Bevor der Angeklagte antworten konnte, sagte Richter Gerlach noch: „Ich weiß, Sie wollen keine Namen nennen, weil das problematisch sein könnte.“

Ominöse Lieferanten

Der Beschuldigte blieb dann auch im Nebulösen: Es habe mit „irgendwelchen Lieferanten“ Vorgespräche zu den Abfällen gegeben. Kein Wort darüber, wie der Kontakt zu diesen Lieferanten zustande kam. Keine Namen. Nur noch eine vage Andeutung: „Wenn man sich mit solchen Typen einlässt, hat man das nächste Problem an den Hacken“, sagte der Angeklagte und beließ es dabei. Richter Gerlach ging zu den nächsten Fragen über.

Ihn interessierte, wie es dem Angeklagten gelang, die Behörden zu täuschen und den Müll vor ihren Augen zu verbergen. Schredderabfälle seien gleich abgedeckt, der Hausmüll schon bei Lieferung mit Erde vermischt worden, erzählte der Angeklagte. Die Lieferpapiere seien „umgerubelt“, die Abfälle als harmlose mineralische Materialien, wie in den Betriebsplänen der Grube zugelassen, ausgewiesen worden.

An konkrete Preise wollte sich er nicht erinnern können. Eine Sache aber war ihm wichtig zu erwähnen: „Es wurde nicht Cash abgerechnet.“ Nichts Gegenteiliges behauptete die Staatsanwaltschaft. Ihre Berechnung, der zufolge der Beschuldigte rund eine Million Euro mit dreckigen Geschäft eingenommen haben soll, basiert auf der Buchhaltung der Kiesfirma.

Der Tatort: Kiesgrube Vietznitz (Foto: muellrausch.de)

Ins Visier der Staatsanwaltschaft war zunächst auch der Sohn des Kiesunternehmers geraten. Er war zur Tatzeit der Eigentümer der Grube. Doch nicht nur das machte ihn verdächtig. Er war und ist auch heute noch als Transportunternehmer tätig. Seine Firma soll damals ihren Geschäftssitz auf dem Grubengelände gehabt haben. Konkrete Beweise dafür, dass er sich an den schmutzigen Deals des Vaters beteiligt hat, liegen der Staatsanwaltschaft aber offenbar nicht vor. Nachdem er die Vorwürfe bestritten und der Vater Bereitschaft zeigte, alle Schuld auf sich zu nehmen, zog sie ihre Anklage gegen den Sohn 2017 zurück. Vor Gericht bekräftigte der Vater nun noch einmal, dass „der Junior“ nichts mit der illegalen Entsorgung zu tun gehabt habe.

Das war’s. Detaillierter fiel die Einlassung nicht aus. Wie glaubhaft sie ist, wird die Beweisaufnahme in den nächsten Wochen zeigen. Der nächste Verhandlungstermin ist für den 19. März angesetzt.

In der Vergangenheit hat es schon ähnliche Fälle und Strafprozesse gegeben. Erst im November 2020 endete nach fast vier Jahren Verhandlungsdauer der Prozess um die Lindower Heide – ohne Urteil. Im sogenannten Markendorf-Komplex kamen die Täter mit Bewährungs- und Geldstrafen davon. Im Strafverfahren um die Grube Warsow, die sich übrigens in direkter Nachbarschaft zum Tagebau Vietznitz befindet, haben die Angeklagten im November 2016 ihre Geständnisse widerrufen. Seitdem steht dieses Verfahren still.